Der Tagesschau-Podcast 11KM beleuchtet zwei Jahre nach dem 7. Oktober die deutsche Rolle in Nahost-Friedensbemühungen. ARD-Hauptstadtkorrespondentin Iris Seiram erklärt, warum Deutschland trotz angebotener Hilfe beim Wiederaufbau und humanitärer Unterstützung nur eine Nebenrolle in den von den USA dominierten Verhandlungen spielt. Die Episode thematisiert die politische Last des Begriffs „Staatsräson“, der seit Angela Merkels Knesset-Rede 2008 fest in der deutsch-israelischen Debatte verankert ist, obwohl er keine rechtliche Grundlage besitzt. Die Bundesregierung unter Friedrich Merz nutzt den Begriff derzeit zurückhaltender, um sich nicht weiter auf das fragwürdige Kriegsvorgehen Israels festzulegen. ### 1. Keine rechtliche Grundlage für „Staatsräson“ Seiram betont, dass „Staatsräson“ lediglich politischer Natur sei und im Grundgesetz keine Erwähnung finde. Verbindlich seien allein Menschenwürde und Völkerrecht. Sie erläutert: „Also ganz flach gesagt, gibt es eigentlich nur eines, was die deutsche Politik … wirklich bindet und das ist Recht und Gesetz, ne? Also vor allen Dingen das Grundgesetz.“ ### 2. Symbolkraft durch Angela Merkel Den Begriff popularisierte Merkel 2008 in der Knesset mit den Worten: „Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes.“ Laut Seiram nutzte Merkel „Staatsräson“ schon vorher in anderen Kontexten; dieRede verlieh dem Wort jedoch außenpolitische Symbolkraft. ### 3. Deutsche Nebenrolle in Verhandlungen Trotz Hilfsangeboten für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe bleibe Deutschland außen vor. Seiram konstatiert nüchtern: „Deutschland an diesem Friedensprozess … eigentlich gar nicht beteiligt war … es ändert nichts an der Tatsache, dass Deutschland in diesem Prozess erstmal nur eine Statistenrolle hat.“ ### 4. Kritik am vorsichtigen Kurs Obwohl US-Präsident Trump den Plan präsentiert, skizziert Seiram ein „Stirnrunzeln“ über Merz’ Zurückhaltung: „Wir werden so schnell wie möglich dafür sorgen müssen, dass da der Hunger nicht weiter um sich greift … Deutschland wird da sicherlich mit ganz vorne dabei sein.“ ### 5. Polarisierung des Begriffs Im pro-palästinensischen Lager werde „Staatsräson“ als Ausrede interpretiert, sich hinter deutscher Hilfsbereitschaft zu verstecken, während vor dem 7. Oktober bereits Menschenrechtsbedenken im Westjordanland und Ost-Jerusalem bestanden. Die Formel „wir können ja nichts machen, weil ist ja Staatsräson“ präge die Debatte. ## Einordnung Die 17-minütige Folge wirkt wie eine kompakte außenpolitische Einschätzung: klar strukturiert, ohne Überschriftengeplänkel, aber auch ohne überraschende Töne. Seiram bleibt in der ARD-typischen Distanz, weder investigativ noch besonders kritisch; sie rekapituliert offizielle Positionen und historische Semantik. Die Machtverhältnisse – USA als alleiniger Impulsgeber, Deutschland als spendenwilliger Begleiter – werden beschrieben, nicht hinterfragt. Marginalisiert bleiben palästinensische Stimmen und zivilgesellschaftliche Kritik an Waffenexporten oder Völkerrechtsverletzungen. Obwohl der Begriff „Staatsräson“ entzaubert wird, bleibt die Selbstverständlichkeit deutscher Waffenlieferungen und die Reduzierung auf humanitäre Hilfe unhinterfragt. Die Episode dient vor allem der Einordnung für Hörer:innen, die sich einen schnellen Status-Check zur deutschen Nahostpolitik wünschen – mit ARD-Standardtönen statt analytischem Tiefgang.