Ones and Tooze: Heterodox Economists: Thorstein Veblen

Eine fundierte Diskussion über Thorstein Veblens Theorien zu Statuskonsum und seine Vision einer Ingenieursgesellschaft.

Ones and Tooze
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In dieser 200. Folge ihres Podcasts diskutieren Adam Tooze und Cameron Abadi das Leben und die Theorien des amerikanischen Ökonomen Thorstein Veblen (1857-1929). Veblen, geboren als Sohn norwegischer Einwanderer im Mittleren Westen, prägte seine Theorien in einer Zeit, als die akademische Ökonomie noch nicht konsolidiert war. Seine bekannteste Theorie ist der "conspicuous consumption" (auffälliger Konsum), wonach Menschen durch teuren Konsum sozialen Status signalisieren - eine Kritik an der Annahme rationaler Nutzenmaximierung. ### Veblen entwickelte eine umfassende Gesellschaftstheorie um Status und Verschwendung Veblen unterschied zwischen produktiven und "pecuniary" (geldorientierten) Aktivitäten. Produktiv seien Ingenieurswesen, Landwirtschaft und Industrie, während auffälliger Konsum und Statuswettbewerb gesellschaftliche Ressourcen verschwendeten. Tooze erklärt: "Productive things are what you would expect them to be... making useful things and providing useful services and growing, you know, doing agriculture and doing industry." Diese Unterscheidung wurzele in Veblens anthropologischer Sicht, dass sich Gesellschaften historisch zwischen arbeitenden und nicht-arbeitenden Klassen aufgeteilt hätten. ### Die Ingenieursklasse sollte die Eigentümerklasse ersetzen In seinem Buch "The Engineers and the Price System" (1921) prognostizierte Veblen eine techno kratische Revolution. Er erwartete, dass Ingenieure und Technokraten die Kontrolle über die Produktion übernehmen würden, da sie die produktiven Prozesse besser verstünden als die Eigentümerklasse. "He literally spoke in terms of an engineer's Soviet," so Tooze. Diese Vision ähnele eher der tatsächlichen Entwicklung des 20. Jahrhunderts als Marx' Theorie einer Arbeiterrevolution. ### Universitäten als Schauplatz von Klassenkampf und Konsum Veblen kritisierte in "Higher Learning in America" (1918) die Kommerzialisierung der Universitäten durch Geschäftsinteressen. Er sah sie als Beispiel für "conspicuous consumption" - teure Bildung als Statussymbol für wohlhabende Familien. Abadi bemerkt: "The university is itself... a highly conspicuous form of consumption." Veblen befürchtete, dass praktische Ausbildung die reine Wissenschaft verdränge. ### Militarismus als extremste Form unproduktiver Aktivität Veblen betrachtete Krieg und Imperialismus als ultimative Verschwendung gesellschaftlicher Ressourcen. "The ultimate form of predation... is to harness the resources of the nation state... towards war for the purpose of imperialism," erklärt Tooze. Diese Sorge um militärische Verschwendung verbinde Veblen mit anderen Theoretikern seiner Zeit wie Hobson. ## Einordnung Die Diskussion zwischen Tooze und Abadi zeigt exemplarisch, wie akademische Podcasts komplexe Theorien zugänglich machen können. Die Gesprächsführung ist strukturiert und informativ, wobei beide Moderatoren komplementäre Perspektiven einbringen. Tooze liefert den historischen Kontext, während Abadi geschickt nach zeitgenössischen Bezügen fragt. Besonders gelungen ist die Einbettung von Veblens Theorien in seine Biografie und historische Umstände. Allerdings bleibt die Diskussion stark auf eine bestimmte intellektuelle Tradition fokussiert - die Perspektive weißer, männlicher Ökonomen des späten 19. Jahrhunderts. Alternative Sichtweisen auf Konsum, etwa aus feministischer oder postkolonialer Perspektive, werden nicht thematisiert. Auch die Frage, wie Veblens Theorien auf nicht-westliche Gesellschaften anwendbar sind, bleibt unbeantwortet. Die Bewertung von "produktiven" versus "unproduktiven" Aktivitäten könnte kritischer hinterfragt werden, da sie normative Urteile über gesellschaftliche Wertigkeiten enthält. Dennoch bietet das Gespräch eine fundierte Einführung in einen einflussreichen, aber heute oft übersehenen Denker. Eine empfehlenswerte Folge für alle, die sich für Wirtschaftsgeschichte und heterodoxe ökonomische Theorien interessieren.