Byline Podcast: The Manosphere with James Bloodworth

Wie Algorithmen junge Männer in die toxische Welt der Manosphere ziehen und Andrew Tate zum politischen Mainstream wurde.

Byline Podcast
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In diesem Gespräch spricht Adrian Goldberg mit dem Investigativjournalisten James Bloodworth über dessen Buch "Lost Boys" und die sogenannte "Manosphere" - eine Welt toxischer Online-Männlichkeit. Bloodworth berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen mit Pick-up-Artists und der Entwicklung dieser Bewegung zu einem politisierten, frauenfeindlichen Phänomen. ### Algorithmen hätten die Radikalisierung verschärft Bloodworth erklärt, dass sich die Manosphere seit den 2000er Jahren grundlegend verändert habe. Während es früher lediglich um Foren und E-Mail-Newsletter gegangen sei, würden heute Algorithmen junge Männer systematisch in diese Inhalte hineinziehen: "Innerhalb weniger Tage meiner Recherchen zu Jordan Peterson Videos war meine ganze YouTube-Timeline von diesem Inhalt kolonisiert". Eine australische Studie hätte gezeigt, dass ein Junge, der Jordan Peterson auf Instagram schaue, innerhalb einer Stunde ein Andrew Tate Video gezeigt bekomme. ### Der Fokus habe sich von Frauen auf männliche Anerkennung verschoben Bloodworth beschreibt eine entscheidende Verschiebung: "Zunächst konzentrierten sich die Pick-up-Artists auf Frauen, verwandelten Männer in das, was sie dachten, was Frauen wollten. Als ich 2018 zurückkehrte, ging es darum, dass Männer Dinge mehr für den Respekt anderer Männer taten". Es gehe nicht mehr darum, eine Freundin zu finden, sondern darum, "einen bestimmten Typ von Freundin zu haben, die auf eine bestimmte Art aussieht, nicht weil das dein Typ ist, sondern weil das diese Gemeinschaft von Männern in sozialen Medien beeindrucken wird". ### Die 80-20-Regel sei zur Grundlage geworden Ein zentrales Konzept der Manosphere sei die sogenannte 80-20-Regel - die Behauptung, dass alle Frauen nur die oberen 10-20% der Männer verfolgen würden. Bloodworth erklärt: "53% der 14- bis 16-jährigen Jungen glauben an die 80-20-Regel". Diese Überzeugung werde von "Männlichkeitsunternehmern" verbreitet, die jungen Männern erzählen würden: "In der Zukunft werden nur 10% der Männer alle Frauen ficken", um dann ihre teuren Programme zu verkaufen. ### Andrew Tate genieße politischen Mainstream-Schutz Bloodworth zeigt sich besonders besorgt über die politische Normalisierung der Manosphere-Figuren: "JD Vance, der Vizepräsident, hat sich selbst als 'red-pilled' bezeichnet und war in einigen dieser maskulinistischen Podcasts". Er habe bei einer Manosphere-Konferenz 2022 in Orlando Teilnehmer mit "Make Women Great Again"-Kappen getroffen, darunter einen Redner, der später wegen seiner Teilnahme am Kapitolsturm verurteilt wurde. ### Dating-Apps verstärkten oberflächliche Bewertungen Bloodworth kritisiert, dass Dating-Apps wie Tinder Menschen zu "einem Katalog aus Fleisch" reduzierten, wo man sich "auf eine bestimmte Art durch sehr enge Kriterien brandmarken" müsse. Instagram erzeuge zusätzlich "den Eindruck, dass alle anderen ein unglaubliches Leben führen außer dir", was Unsicherheit und Ressentiments verstärke. ## Einordnung Dieses Gespräch liefert eine fundierte Einschätzung eines gefährlichen gesellschaftlichen Phänomens, basierend auf sowohl persönlicher Erfahrung als auch journalistischer Recherche. Bloodworth gelingt es, die Entwicklung der Manosphere von harmlosen Pick-up-Techniken zu einer politisierten, frauenfeindlichen Bewegung nachzuzeichnen. Besonders wertvoll ist seine Analyse der Rolle von Algorithmen bei der Radikalisierung und die Verbindung zu konservativen politischen Kreisen. Die Darstellung bleibt sachlich und vermeidet sowohl Verharmlosung als auch Hysterie. Allerdings dominiert eine eher akademisch-progressive Perspektive, alternative Erklärungsansätze für männliche Frustration werden kaum diskutiert. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze - vor allem Handy-Verbote in Schulen - wirken angesichts der systemischen Natur des Problems eher oberflächlich. Dennoch ist das Gespräch eine wichtige Aufklärungsarbeit über ein Phänomen, das bereits erheblichen Einfluss auf junge Männer hat und gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse rückschrittlich prägt.