Der Falter-Podcast mit Reimund Löw diskutiert in der Folge „Spanien und mehrere andere Staaten kündigen an, sich vom ESC zurückzuziehen, wenn Israel dabei ist“ die Frage, ob Israel wegen des Gaza-Kriegs beim Eurovision Song Contest in Wien 2025 ausgeschlossen werden sollte. Zu Gast sind unter anderem die jüdische Künstlerin Sachi Turkov, die Musikwissenschaftlerin und Friedensaktivistin Isabel Frey sowie der schottische Kulturminister Angus Robertson. Die Diskussion dreht sich um die politische Verantwortung der EU, die Rolle von Kultur im Konflikt und die Gefahr von Antisemitismus und Rassismus in der Solidaritätsbewegung mit Palästina. ### 1. Israel könnte wie Russland aus dem ESC ausgeschlossen werden Angus Robertson argumentiert, dass Israel aufgrund von Kriegsverbrechen und Völkermordvorwürfen aus dem ESC ausgeschlossen werden solle – analog zum Ausschluss Russlands nach der Invasion der Ukraine. Er betont, dass die Europäische Rundfunkunion (EBU) bereits Präzedenzfälle geschaffen habe und nun konsistent handeln müsse: „Wenn wir mit Russland so umgehen, müssen wir auch mit Israel so umgehen, sonst müssten wir alles überdenken und Russland wieder einladen.“ ### 2. Sachi Turkov lehnt einen Boykott Israels ab, sieht darin jedoch kein antisemitisches Motiv Sachi Turkov, ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen, spricht sich gegen einen Boykott Israels aus. Sie betont, dass der israelische Sender Kan, der beim ESC antritt, Teil der zivilgesellschaftlichen Opposition gegen die israelische Regierung sei. Ein Boykott würde die Stimme der kritischen israelischen Bevölkerung ausblenden und das Schwarz-Weiß-Denken weiter verstärken: „Ich sehe nicht, wie das der Situation in Gaza irgendetwas bringt, außer dass es wieder weiter dieses Schwarz-Weiß-Denken fördert.“ ### 3. Isabel Frey fordert symbolische und materielle Konsequenzen Isabel Frey, Mitbegründerin der Initiative „Standing Together Vienna“, unterstützt Boykottaufrufe gegen Israels Teilnahme am ESC. Sie argumentiert, dass es sich um ein politisches Event handle, das von Staaten genutzt werde, um Menschenrechtsverletzungen zu normalisieren. Neben symbolischen Maßnahmen wie dem Ausschluss aus dem ESC fordert sie auch materielle Konsequenzen wie Waffenexportstopps und das Aussetzen des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel. ### 4. Die Gefahr von Antisemitismus in der Palästina-Solidaritätsbewegung wird kontrovers diskutiert Tessa Szyszkowitz und Sachi Turkov weisen darauf hin, dass Antisemitismus in Teilen der Palästina-Solidaritätsbewegung zunehme. Gleichzeitig wird kritisiert, dass jede Kritik an Israel pauschal als antisemitisch abgestempelt werde. Die Sprecher:innen fordern eine differenzierte Debatte, die Antisemitismus klar benennt, ohne Kritik an der israelischen Regierung generell zu diskreditieren. ### 5. Wien und der ORF halten an Israels Teilnahme fest – trotz möglichem Boykott anderer Länder Soraya Pechtl berichtet, dass Wien und der ORF trotz möglicher Boykotte durch mehrere europäische Länder an der Teilnahme Israels festhalten. Ein Song Contest mit weniger Teilnehmer:innen sei prinzipiell möglich – historisch sei das bereits vorgekommen. Die Stadt Wien und der ORF betonen, sie wollten „gute Gastgeber“ sein und einen Dialog zwischen Kulturen ermöglichen. ## Einordnung Die Podcast-Folge zeigt eine kontroverse, aber sachliche Debatte mit unterschiedlichen jüdischen Perspektiven zum Umgang mit Israel beim ESC. Besonders bemerkenswert ist, dass nicht zwischen „pro“ und „anti“ argumentiert wird, sondern differenziert nach Zielen und Wirkungen von politischem Druck. Die Redaktion gelingt es, eine heikle Debatte ohne Polarisierung zu führen – indem sie jüdische Gäste mit unterschiedlichen Positionen einlädt, statt Muslime oder Palästinenser:innen als Sprecher:innen zu bemühen. Diese Perspektivwahl ist bewusst, aber auch begrenzend: Palästinenser:innen kommen nicht selbst zu Wort, ihre Stimme bleibt indirekt. Der Podcast transportiert aber ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus und für Menschenrechte – ohne dabei in verharmlosende Gleichsetzung zu verfallen. Der Fokus liegt auf der Frage, wie Kulturpolitik symbolisch wirksam sein kann, ohne in paternalistische oder rassistische Muster zurückzufallen. Hörempfehlung: Ja – wer eine differenzierte, kontroverse Debatte mit jüdisch-österreichischen Stimmen zum Thema ESC, Israel und Gaza sucht, bekommt hier kluge Argumente und emotionale Nuancen.