Eib | عيب: عبودية في بيوت اللبنانيين
Dokumentation über systematische Ausbeutung migrantischer Hausangestellter im Libanon durch das Kafala-System.
Eib | عيب
34 min read3620 min audioIn diesem Podcast mit dem Titel "Sklaverei in den Häusern der Libanesen" spricht Rama Spanex mit Salam Daoud, Kommunikationsleiterin von Ärzte ohne Grenzen Libanon, über die systematischen Misshandlungen von Hausangestellten im Libanon.
### 176.000 Migrant:innen unter dem Kafala-System
Nach offiziellen Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration lebten über 176.000 migrantische Arbeiter:innen im Libanon, 70% davon Frauen. Etwa 50% aller migrantischen Arbeiter:innen seien Hausangestellte. Das Kafala-System mache sie vollständig von ihren "Sponsoren" abhängig, die ihre Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsbedingungen kontrollierten. "Das Kafala-System schafft die Grundlagen für die Ausbeutung der migrantischen Arbeiterinnen im Libanon", erklärt Daoud.
### Systematische Ausbeutung und moderne Sklaverei
Die Expertin berichtet von strukturellen Misshandlungen: Arbeitgeber:innen würden oft Pässe einziehen, unbegrenzte Arbeitszeiten ohne freie Tage durchsetzen und minimale oder gar keine Löhne zahlen. "Wenn wir über Zwangsarbeit ohne Komplikationen der Politik und Wirtschaft sprechen, wird das sehr klar und grundlegend zu Sklaverei", konstatiert Daoud. Die Arbeiterinnen seien körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt ausgesetzt.
### Verschärfung durch multiple Krisen
Jede politische und wirtschaftliche Krise hätte die Situation verschlechtert. Seit 2019 nutzten viele Arbeitgeber:innen den Wirtschaftskollaps als Vorwand, keine Löhne mehr zu zahlen oder in libanesischen Pfund statt Dollar abzurechnen. Während der COVID-Pandemie warfen manche ihre Angestellten "wie Müll auf die Straße vor den Konsulaten". Im aktuellen Krieg ließen einige Familien die Frauen in verschlossenen Häusern zurück.
### Traumatische Zeugnisse von Gewalt und Entmenschlichung
Daoud führte Interviews mit sechs Frauen, die erschütternde Erfahrungen schilderten. Eine Frau sei aus Angst vor Raketen vom Balkon gesprungen und habe sich beide Knöchel gebrochen. Andere berichteten von sexueller Belästigung, Nahrungsentzug und dem Zwang, auf Balkonen zu schlafen. "Sie werden nicht als Menschen behandelt", resümiert die Expertin.
## Einordnung
Der Podcast dokumentiert systematische Menschenrechtsverletzungen mit journalistischer Sorgfalt. Daoud reflektiert transparent ihre Position als Libanesin und damit Teil des problematischen Systems. Sie beschreibt ethische Herausforderungen beim Sammeln traumatischer Zeugnisse und die Zusammenarbeit mit psychologischem Fachpersonal. Bemerkenswert ist die Einbindung von Community-Vertreter:innen als Übersetzer:innen und Vertrauenspersonen.
Die Analyse macht deutlich, wie das Kafala-System strukturelle Gewalt ermöglicht und durch Wirtschaftskrisen, Pandemie und Krieg verstärkt wird. Problematisch ist die fehlende Stimme der Betroffenen selbst - ihre Abwesenheit wird jedoch nachvollziehbar durch die beschriebenen Machtstrukturen und Angst vor Vergeltung erklärt. Der Podcast vermeidet Sensationalismus und ordnet Einzelschicksale in größere Zusammenhänge ein, ohne dabei die Dringlichkeit zu verwässern.
**Hörempfehlung:** Ein wichtiger Beitrag zur Dokumentation moderner Sklaverei, der sowohl individuelle Tragödien als auch systemische Ursachen beleuchtet.