Kontext: Die "Sternstunde Philosophie" (SRF) lädt Alena Buyx, Ärztin, Philosophin und ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, zu einem intensiven Gespräch über das Sterben, medizinische Entscheidungen und ethische Prinzipien am Lebensende. Die Sendung wirbt damit, „dass wir alle uns früh mit dem eigenen Tod befassen sollten". Hauptthema: Wie gelingt selbstbestimmtes Sterben in einer Hochleistungsmedizin, die oft bis zuletzt alles versucht? Buyx plädiert für Patientenverfügungen, offene Gespräche und eine starke Palliativmedizin, statt dem technischen „Weiter-so". ### 70 % der Menschen in Deutschland sterben in Kliniken oder Pflegeheimen, 11 % künstlich beatmet – obwohl sich fast niemand diesen Exit wünscht. Buyx sieht darin eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe: „Wir müssen ran" an die Diskussion über gutes Sterben. ### Die vier klassischen Prinzipien Medizinethik – Autonomie, Fürsorge, Schadensvermeidung, Gerechtigkeit – stehen in Spannung zueinander. Am Beispiel einer Bergsteigerin, die eine lebensrettende Amputation verweigert, zeigt Buyx, dass Selbstbestimmung („Autonomie") juristisch und ethisch meist durchschlägt, für Ärzteteams aber „wirklich herausfordernd" ist. ### Bei Frühchen (22. SSW) kann es ethisch vertretbar sein, lebensverlängernde Maßnahmen abzubrechen. Buyx schildert den seltenen Fall, dass ein Behandlungsteam die Eltern-Entscheidung ablehnte, weil es eine „ordentliche Chance auf ein lebenswertes Leben" sah – ein Konflikt, der durch Gespräche gelöst wurde, ohne das Sorgerecht zu entziehen. ### Assistierter Suizid ist in Deutschland seit 2020 grundsätzlich erlaubt, fehlt aber an klarer Regelung für Ärzt:innen. Buyx hält die Schweizer Praxis (Exit u. a.) für „vorbildlich", solange Tatherrschaft beim Patienten bleibt und Suizidprävention parallel gestärkt wird. Aktive Sterbehilfe lehnt sie vorsichtig ab: Sie beobachtet in Ländern mit Zulassung einen „deutlichen Anstieg" und fragt, ob „Menschen sich vielleicht überflüssig fühlen". ### Der Longevity-Trend (Lebensverlängerung durch Lifestyle, Nahrungsergänzung, Gentherapie) ist „alter Wein in neuen Schläuchen". Bewährt seien Bewegung, Ernährung, soziale Kontakte. Hingegen sei bei vielen Supplementen „viel Hype und Quatsch" im Spiel; Kosten für dubiose Mittelchen gehörten nicht in die Regelversorgung. ## Einordnung Das Format versteht sich als Wissenspodcast mit professionellem Anspruch: Es bietet kein Unterhaltungs-Talk, sondern will auf Basis von Expertise Orientierung geben. Das gelingt weitgehend. Buyx erklärt komplexe medizinethische Konflikte anschaulich, ohne belanglos zu vereinfachen. Besonders stark: Sie räumt ein, dass es selbst bei klaren Prinzipien „Grauzonen" gibt und macht die Spannung zwischen individueller Selbstbestimmung und ärztlicher Fürsorge spürbar. Kritisch: Die Sendung bleibt in der Auswahl der Perspektiven homogen. Es dominieren weiße, hochgebildete Fachstimmen; Betroffene oder Pflegende kommen kaum vor. Die Frage, wie soziale Ungleichheit Sterbechancen beeinflusst, bleibt unausgesprochen. Rechte oder pseudowissenschaftliche Positionen werden nicht zitiert oder legitimiert, die Darstellung wirkt insgesamt aufgeklärt und evidenzorientiert. Wer konkrete Entscheidungshilfen für Patientenverfügungen oder Sterbehilfe-Vereine sucht, erhält hier keine Checklisten, aber eine klare Empfehlung: „Machen Sie sich früh Gedanken, sprechen Sie mit Angehörigen und Ärzt:innen – und dokumentieren Sie Ihre Wünsche." Hörempfehlung: Ja – falls Sie fundiert und ruhig über das eigene Lebensende nachdenken wollen, ohne in Panik oder Aktionismus zu verfallen.