Der ehemalige US-Botschafter in China, Nicholas Burns, bilanziert im Gespräch mit Michael Green seine vier Jahre in Peking. Er beschreibt die Beziehung zu China als strukturellen Wettbewerb, der sich über Militär, Technologie und Handel erstrecke. Kooperation bleibe nur in wenigen Feldern wie Klimaschutz und Fentanyl-Bekämpfung möglich. Burns betont, dass die chinesische Führung unter Xi Jinping transaktionaler und nullsummenorientiert agiere. Die wichtigste Erkenntnis: Die USA seien nur gemeinsam mit ihren Alliierten stark genug, um chinesische Machtprojektion zu begrenzen – weshalb er die aktuelle US-Handelspolitik gegenüber Partnern wie Indien, Japan oder Südkorea für kontraproduktiv hält. Burns mahnt, personelle und akademische Austauschprogramme auszuweiten, weil nur so gegenseitiges Misstrauen und „Psychose“ verhindert werden könnten. Er sieht Gefahr darin, dass die chinesische Spitze US-Debatten als Schwäche missverstehen könnte. ### 1. Burns: „Win-win mit China ist Illusion" Burns zufolge lehnten US-Diplomatie die von China propagierte „Win-win“-Rahmung ab, weil Peking parallel militär aufrüste und Nachbarn unter Druck setze: „Wie können wir eine Win-Win-Beziehung haben, wenn das Eure Strategie ist?“ Die Biden-Administration habe stattdessen auf ehrlichen Wettbewerb plus Deeskalationskanäle gesetzt. ### 2. Kooperation nur noch 10-20 % der Agenda Noch vor 15 Jahren habe man bei Nordkorea oder Iran gemeinsame Sicherheitsinteressen verfolgt. Heute seien 80-90 % der Themen konkurrierend: Militäraufstockung im Indo-Pazifik, Technologiewettlauf, Handelstarife sowie Menschenrechtsfragen. Selbst gemeinsame globale Herausforderungen würden von China mittlerweile als Verhandlungsmasse genutzt. ### 3. Alliierte sind „amerikanische Machtmultiplikatoren" Ohne Partner wie Japan, Australien, Südkorea oder Indien könnten die USA chinesische Expansionsversuche nicht effektiv eindämmen. Burns erlebte enge Absprache mit australischen und japanischen Botschaftern in Peking; gemeinsame Positionen hätten Druck auf China erhöht. Gegenwärtige US-Zölle gegen eben diese Partner beschädigen nach seinem Dafürhalten die eigene Verhandlungsmacht. ### 4. Chinas Führung misst US-Politik falsch ein Der Großteil des 24-köpfigen Politbüros habe kaum Auslandserfahrung. Burns befürchtet, US-Debatten würden als Zeichen von Schwäche und Niedergang gedeutet – ein Muster, das Historiker:innen schon früher als „America Trap“ bezeichneten. Nur wenige Berater wie Außenminister Wang Yi verfügten über tiefe US-Kenntnisse; ihr Einfluss auf Xi sei unklar. ### 5. Kleiner studentischer Austausch gefährdet Expertise Die Zahl amerikanischer Studierender in China sei von 15.000 auf 1.105 gesunken. Gleichzeitig gebe es 273.000 chinesische Studierende in den USA. Burns warnt vor einer „neuen Psychose“ ähnlich dem Kalten Krieg, wenn sich beide Gesellschaften künftig nur noch über Medien wahrnehmen statt persönlich. Mehrsprachige Diplomat:innen seien nur durch direkte Erfahrung zu formen. ## Einordnung Der Podcast versteht sich als Insider-Gespräch zwischen zwei ehemaligen US-Hochrangbeamten. Die Gesprächskultur ist professionell, mit gegenseitiger Wertschätzung und klaren Botschaften. Burns’ Rückblick liefert keine Enthüllungen, wirkt aber glaubwürdig, weil er offen über gelebte Widersprüche (Wettbewerb plus Koexistenz) spricht. Die argumentative Schwäcke liegt in der unausgesprochenen Annahme, Allianztechnik und Handelspolitik ließen sich einfach trennen; alternative Sichtweisen etwa globaler Südens oder chinesischer Bürger:innen fehlen komplett. Dennoch bietet die Episode eine informative, nüchterne Bestandsaufnahme realer Machtverhältnisse im Indo-Pazifik und mahnt, personelle Brücken nicht zu kappen – ein für Strategie-Interessierte lohnender, wenig ideologischer Blick hinter Kulissen der US-Diplomatie.