ARD Presseclub: Waffenruhe in Gaza - Hat der Frieden eine Chance?
Der ARD-Presseclub analysiert die neue Gaza-Waffenruhe: Trump als Zwangsmittler, fehlendes Vertrauen und die unsichere Zukunft der Region.
ARD Presseclub
70 min read3421 min audioDer Presseclub diskutiert mit Anna Sauerbrey (DIE ZEIT), Ronen Steinke (SZ), Christian Böhme (Tagesspiegel) und Lisa Schneider (taz) über die Waffenruhe im Gazastreifen, die nach zwei Jahren Krieg auf einem von US-Präsident Trump vorgelegten Plan beruht. Die Gesprächsrunde zeigt sich vorsichtig hoffnungsvoll, betont aber massive Fallstricke: Die Hamas müsste sich entwaffnen, Israel Territorium räumen und eine internationale Schutztruppe müsste das Gebiet stabilisieren. Zwischen den Gästen entsteht Streit darüber, ob Trump geschickter Diplomat oder schlicht Machtpol ist, ob Israel jetzt sicherer oder isolierter dasteht und ob arabische Staaten oder der Westen den Wiederaufbau finanzieren sollten. Einigkeit besteht nur darin, dass Vertrauen fehlt, die zweite Phase des Plans höchst unsicher ist und ein palästinensischer Staat derzeit nicht in Sicht. Die Bundesregierung will eine Wiederaufbaukonferenz organisieren; Zuschaueranrufe spiegeln deutsche Hilfsbereitschaft ebenso wie Hilfs- und Rechtsträgern gegenüber.### 1. Trump als Zündstift, nicht als FriedensengelDie Einigung entstand laut mehreren Gesprächsteilnehmer:innen primär durch Druck der USA. Ronen Steinke betont, Trump habe lediglich „die Machtverhältnisse ausgespielt“, weil Israel militärisch und finanziell von Washington abhängig sei. Christian Böhme ergänzt, Netanyahus Fehlgriff, die Hamas-Führung in Katar auszuschalten, habe Trump „derart erzürnt“, dass dieser einen Wandel erzwang.### 2. Vertrauensfrage: Keine Seite glaubt der anderenDie Hamas werde Israel nie trauen, nachdem sie jahrelang von ihr gejagt wurde; Israel wiederum akzeptiert laut Böhme „auf absehbare Zeit keine Hamas-Beteiligung an einer Übergangsregierung“. Beide Seiten könnten sich daher leicht aus dem Vertrag lösen.### 3. Demilitarisierung bleibt Zündstoff der zweiten PhaseDie Entwaffnung der Hamas gilt als zentraler Knackpunkt. Lisa Schneider erklärt, konkret gehe es zunächst darum, Tunnelanlagen zu zerstören und die Fähigkeit zu schwächen, Israel anzugreifen. Ob die Hamas darüber hinaus Waffen abgibt, sei offen; scheitere dies, riskiere Israel eine erneute Eskalation.### 4. Internationale Schutztruppe: Personalie und Legitimität unklarWeder stehe fest, wer Soldaten stellt, noch ob die Truppe unter UN-Flagge oder US-Führung agiert. Ronen Steinke warnt, eine amerikanisch dominierte Streitmacht werde „im Gleichschritt mit der israelischen Regierung“ handeln und als „neue Besatzung“ wahrgenommen.### 5. Finanzierung des Wiederaufbaus: Europa soll zahlen, Araber stehen im VerdachtGeschäftliche Interessen der Golfstaaten („Geld wie Sand“) und europäische Historie laut Böhme deuten darauf hin, dass vor allem arabische Länder und die EU bezahlen sollen. Deutschland organisiert eine Geberkonferenz; mehrere Anrufer:innen fordern, stattdessen Israel und die USA verantwortlich zu machen.### 6. Stabilität Netanyahus: Geschickt, aber isoliertNetanyahu könnte laut Böhme trotz massiver Proteste weiter regieren, weil ihm an Erfahrung und strategischem Geschick kaum ein Konkurrent das Wasser reiche. Anna Sauerbrey kontert, Israel habe sich international isoliert; eine junge Generation in den USA und Europa drehe sich weg.## EinordnungDie Runde führt kein hochglanz-politisches Fernsehspektakel, sondern ein solides, journalistisch anspruchsvolles Streitgespräch. Susan Link gelingt es, konträre Einschätzungen sichtbar zu machen und Zuschauer:innenfragen einzubinden. Die Debatte bleibt faktenreich: Es gibt klare Analysen zur US-Abhängigkeit Israels, zur mangelnden UN-Beteiligung und zur deutschen Rolle als „Wiederaufbaupate“. Auffällig ist, dass rechte Positionen (z. B. Ablehnung von Palästinenser-Organisationen oder Forderungen nach Beibehaltung der Besatzung) nicht thematisiert, sondern lediglich als israelische Mehrheitsmeinung wiedergegeben werden; eine kritische Distanzierung bleibt aus. Der Fokus liegt auf Machbarkeitsfragen, nicht auf Menschenrechtsverletzungen oder Völkerrechtsbrüchen. Die Sendung liefert einen umfassenden, wenn auch vorsichtig optimistischen Überblick über die aktuelle Lage und eignet sich für Hörer:innen, die sich schnell und kompetent informieren wollen.