Die Filmanalyse: Ep. 241: Markt VS Staat: ARMAGEDDON - Michael Bays Ideologie
Ideologiekritische Analyse von "Armageddon", die libertäre Anti-Staat-Rhetorik und patriarchale Sexualitätsangst entlarvt.
Die Filmanalyse
14 min read917 min audioDer Filmessayist Wolfgang M. Schmitt analysiert Michael Bays Katastrophenfilm "Armageddon" als ideologisches Manifest libertärer Prägung. Er entlarvt die Handlung – Bohrarbeiter:innen retten als improvisierte Astronaut:innen die Welt – als Ausdruck eines recht-libertären Weltbilds, das staatliche Institutionen delegitimiert und die Effizienz des Marktes über alles stellt. Schmitt zeigt, wie das Drehbuch Wissenschaftlichkeit bewusst außer Kraft setzt, um ein Geschichtsbild zu propagieren, das nach dem „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) heroische Selbstüberschreitung und hyper-individualisierte Solidarität zelebriert. Besonders deutlich wird laut Schmitt das Frauenbild des Films, das weibliche Sexualität pathologisiert und patriarchale Kontrolle naturalisiert.
### 1. Libertärer Antistaat als Retter
Schmitt argumentiert, der Film inszeniere eine „libertäre Botschaft“, weil private Bohrprofis staatliche Astronaut:innen ersetzen. Die NASA erscheine als „bürokratischer Apparat“, während „die Marktwirtschaft effizient und gut“ sei. Zitat: „Die NASA ist ein staatliches Unternehmen, deswegen die Skepsis gegenüber der NASA in diesem Film. Die Bohrexperten sind privatwirtschaftlich organisiert.“
### 2. Rechte Schlagseite von Michael Bay
Bay werde nicht mit Roland Emmerich verwechselt, dem ein „patriotisches Kino“ unterstelle, sondern sei „in erster Linie ein Libertärer und zwar einer mit sehr rechter Schlagseite“. Belege seien das „antiquierte Frauenbild“, Greenpeace-Bashing und die Forderung der Protagonisten, „nie wieder Steuern zahlen“ zu müssen.
### 3. Geschichte als Teleologie
Der Asteroid trete als äußerer Feind an die Stelle des „bösen Russen“. Damit verbinde sich eine „teleologische Geschichtsauffassung“: frühere Kriege erschiene letztlich als „Vorbereitung auf diesen Fortschritt“, der Menschheit durch Technik die Rettung ermögliche.
### 4. Vater-Tochter-Konflikt als Sexualitätsangst
Die zentrale emotionale Achse sei nicht die Weltrettung, sondern Bruce Willis’ Unfähigkeit, „dass seine Tochter eine Sexualität hat“. Das ende mit der Ernennung des heterosexuellen Paares zur „einzigen solidarischen Gemeinschaft“, die im individualisierten Universum Bays übrig bleibe.
### 5. Katastrophenfilm als Arbeiterkino
In der zweiten Hälfte erscheine „eigentlich eine Dokumentation über eine Baustelle, nur halt nicht auf der Erde“. Diese Seltenheit, in Hollywood Arbeit zu zeigen, mache den Film trotz seiner Rechtslastigkeit zu einem „verqueren Arbeiterkino".
### 6. Heroismus nach dem „Ende der Geschichte“
Weil Francis Fukuyama die Zukunft als „ziemlich langweilig“ prophezeit habe, setze Bay auf Regelbruch als letzte Quelle des Heldenhaften. Das mache den Film trotz aller Klischees für eine „postheroische Politik“ fruchtbar, die Impfstoffmangel oder Klimakrise brauche „vielleicht auch ein heroisches Moment“.
## Einordnung
Schmitt liefert kein klassisches Filmreview, sondern eine ideologiekritische Lektüre, die zwischen Cineasten:innen und politisch interessierte Hörer:innen vermittelt. Seine Methode – enge Textanalyse plus kulturtheoretische Einbettung – überzeugt durch kohärente Argumentation und pointierte Sprache. Stärken sind die historische Kontextualisierung (Fukuyama, 1990er) und die Verknüpfung von Form (Klischee, Tempo) und politischem Gehalt. Schwächen: Die Kategorien „libertär“ und „rechts“ bleiben diffus; konkrete rechtsextreme Positionen werden nicht ausgewiesen, was die Warnwirkung schwächt. Der Fokus auf männliche Protagonisten verdeckt, dass auch weibliche Figuren handlungsfähig sind (Tyler als Wissenschaftlerin). Insgesamt bietet die Analyse eine unterhaltsame, aber einseitige Perspektive, die komplexere Deutungen des Films (z. B. seine Kritik an Rüstungsetat) ausblendet. Die Sendung eignet sich, um sich mit populärkulturellen Ideologien auseinanderzusetzen – sie ersetzt aber keine differenzierte Filmschauung.