Der isländische Kultursender RÚV widmet Sverrir Guðjónsson, dem einzigen ausgebildeten Countertenor des Landes, eine 50-minütige Porträtsendung. Moderatorin Melkorka Ólafsdóttir lässt den Musiker von der Kindheit als Harmonika-Barnstar über Jazz-, Pop- und Folk-Projekte bis zu seinen Studien in London und der Spezialisierung auf Barock- und Mittelaltermusik selbst erzählen. Im Zentrum stehen die Entdeckung seiner Countertenor-Stimme durch ein Rollenangebot am Nationaltheater, die technische Umstellung seiner Stimme sowie die enge Zusammenarbeit mit Komponist:innen, die eigens Werke für ihn schreiben. Zwischen den Gesprächspassagen singt Sverrir live mehrere Stücke – von frühen Vöggukvæði bis zu neuen Kunstliedern. ### 1. Kindheits-Karriere als „Barnastjarna“ Sverrir erzähle, er sei mit sieben Jahren auf einem Tanzball aufgetreten, habe drei Nummern gesungen und sei „vor Beginn der Schlägereien“ nach Hause geschickt worden. Später sei die Kinderhilfe eingeschritten, als er mit acht Jahren für ein Abendprogramm angekündigt worden sei. Die Polizei habe ihm und seinem Vater den Zutritt verwahrt. ### 2. Entdeckung der Countertenor-Stimme durch Theaterrolle Bei der Musical-Produktion „Chicago“ am Nationaltheater sei verlangt worden, „auf sehr hoher Lage zu singen, eigentlich auf Countertenor-Höhe“. Nach dem Vorsprechen habe man ihm die Rolle übergeben und damit „die Countertenor-Stimme entdeckt“. Dieser „Ton habe in mir gezündet“, weshalb er anschließend ein Studium in England aufgenommen habe. ### 3. Technik und Körper als Klangquelle Alle Männer hätten „Falsett“, doch brauche es Kraft und Übung, daraus „eine geschlossene Stimme“ zu formen. Gemeinsam mit Jazz-Saxofonist Haukur Gröndal nutze er inzwischen „die Stimme primär als Klanggeber“, etwa beim Stück „Four Elements“, das einen der isländischen Musikpreise gewonnen habe. ### 4. Internationale Kollaborationen und neue Werke Während seines Auslandsstudiums habe er isländische Komponist:innen kontaktiert und mitgeteilt, „dass dieses Stimmfach nun nach Island komme“. Inzwischen existiere ein großes Repertoire, „das oft eigens für Sverrir und seine besondere Stimmlage komponiert“ worden sei. Für die Dokumentation „Le Chant des Origines“ über mittelalterlichen Choral arbeite er derzeit mit Arte und französischen Produzent:innen zusammen. ### 5. Human Body Percussion Orchestra als PR-Gag Für eine Kulturhauptstadt-Feier in London habe Kulturattaché Jakob Frímann Magnússon kurzfristig eine „Human Body Percussion Ensemble“ angekündigt, ohne dass diese existiert habe. Sverrir, Didda Fiðla und Ragnheiður Gísladóttir hätten daraufhin isländische Volkslieder mit Körper- und Stimmeffekten einstudiert und seien „von Sender zu Sender“ getaxt. In Island sei das Projekt später belächelt worden. ## Einordnung Die Sendung operiert als klassisches Promi-Porträt ohne journalistische Gegenfragen oder analytische Distanz. Melkorka Ólafsdóttir überlässt weite Passagen der Selbstinszenierung ihres Gastes, wodurch Werdegang und Werk im besten Licht erscheinen. Kritische Reflexionen über Kindershow-Alltag, frühe Vermarktung oder künstlerische Abhängigkeiten bleiben aus. Besonders auffällig: Die Moderatorin übernimmt unhinterfragt PR-Formulierungen wie „Barnastjarna“ oder lässt Behauptungen über angebliche Unikate („einziger Countertenor des Landes“) stehen. Dafür gelingt ein lebendiger Eindruck isländischer Musikszene, weil Sverrir seine Stationen – Folk, Jazz, Pop, Barock – mit Anekdoten verknüpft und wiederholt live Stücke vorträgt. Wer künstlerische Selbstvermarktung und Anekdoten-Flair mag, erhält eine kurzweilige Biografie; wer kritische Distanz oder kontextuelle Einordnung erwartet, wird enttäuscht.