Medientalk: Medientalk: 80 Jahre Echo der Zeit – Journalismus im Wandel
Der Medientalk blickt auf acht Jahrzehnte "Echo der Zeit" und fragt, wie Schweizer Qualitätsjournalismus unter Sparzwang überleben kann.
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### 1. Der "Doktorenclub" wollte aufbrechen
Die Sendung habe sich in den späten 1970ern von einem "sehr offiziösen Ton" gelöst, sagt Casper Selg. Junge Redakteure wie er und Robert Stähli hätten "mit einem anderen Ansatz" gearbeitet und das Echo "ein bisschen geöffnet".
### 2. Ohne Konzept in den Krieg
Robert Stähli erinnert sich: "Ich war hier drei Tage im Studio … der damalige Chef sagte, Pellegrini, ja, geh doch hin." So sei er 1980 mit einem Nagra-Tonbandgerät nach Warschau gereist, ohne genau zu wissen, wie es funktioniere – und habe dort Solidarność miterlebt.
### 3. 9/11 als Prüfstein
Kaspar Selk beschreibt, wie um 3 Uhr morgens das zweite Flugzeug in den Tower flog: "war mir schlagartig klar, das verändert die Weltgeschichte". Die Redaktion habe sofort umgestellt, ohne Sitzungen abzuwarten.
### 4. Menschenrechte vor Ausgewogenheit
Die Redaktion habe "keine politische Haltung" gehabt, betont Selg, aber: "wir haben nur eine Haltung durchgezogen und das ist der Respekt vor Menschenrechten … wo es klar gegen die Menschenrechte geht, da müssen wir nicht pro und contra ausgewogen darstellen."
### 5. Sparzwang trifft Korrespondentennetz
Als Auslandschef habe Stähli "heftigstens" dagegen gekämpft, dass Radio-Korrespondent:innen auch fürs Fernsehen arbeiten müssen – aus Angst vor "gewaltigen Qualitätsverlust". Heute drohen neue Einsparungen durch Gebührensenkung und mögliche Halbierungsinitiative.
### 6. Tradition versus Modernisierung
Das Echo sei "etwas liturgisches", sagt Hoffmann. Kleinste Ritual-Veränderungen würden sofort Reaktionen auslösen. Dennoch versuche man über Podcast und Newsletter neue Zielgruppen zu erreichen, ohne die Marke zu beschädigen.
## Einordnung
Die Sendung inszeniert sich als Hort des Qualitätsjournalismus, der sich gegen Sparzwang und politische Vereinnahmung wehrt. Die ehemaligen Macher liefern glaubwürdige Einblicke in eine Zeit, als Redakteure noch mit schweren Geräten loszogen, um Geschichte zu erleben. Doch die Diskussion bleibt im Selbstreferenziellen: Es geht fast nur um Ressourcen, nicht um inhaltliche Neuorientierung. Die Frage, wie sich Journalismus in einer fragmentierten Medienwelt neu erfindet, wird mit Verweis auf Podcast und Newsletter abgefrühstückt. Die angekündigten Sparmaßnahmen werden zwar thematisiert, aber nicht hinterfragt, warum ausgerechnet das Informationsradio betroffen ist. Die Hörerschaft bleibt außen vor – ihre Perspektive taucht nur als Statistik auf. Trotzdem: Wer Schweizer Mediengeschichte live miterleben will, bekommt hier stimmige Erinnerungen serviert.