phoenix runde - Podcast: Merz' Herbst der Reformen - Kriegt Schwarz-Rot die Kurve?
Die phoenix runde zeigt, warum die schwarz-rote Koalition im Herbst der Reformen eher im Herbst des Gewürges enden könnte.
phoenix runde - Podcast
52 min read2657 min audioDie phoenix runde mit Anke Plättner diskutiert den Zustand der schwarz-roten Koalition nach der Sommerpause. Beteiligt sind die Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas, die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp, der Merz-Biograf Volker Resing und Gordon Repinski von politico. Im Mittelpunkt stehen die Konflikte um Bürgergeld, Steuererhöhungen und die Frage, ob die Koalition im „Herbst der Reformen“ handlungsfähig bleibt.
### 1. Die Koalition steckt in tiefen Grabenkämpfen
Es gebe das Gefühl, „die Mauern werden eher noch hochgezogen“, statt Kompromisse zu suchen. Gordon Repinski konstatiert: „Man versucht die Karten wirklich bei sich zu behalten und dann muss es irgendwam einen großen Durchbruch geben.“
### 2. Die SPD gerät zwischen Jusos und Regierungsrealität unter Druck
Bei einem Juso-Event sei Arbeitsministerin Bärbel Bas „gegrillt“ worden. Sie habe sich gegen eine Bürgergeld-Erhöhung ausgesprochen und dabei sogar das Wort „Bullshit“ benutzt. Linartas wertet das als „Weckruf“: „Die SPD muss einmal den Rücken gerade durchdrücken.“
### 3. Die Finanzierungslücke wird zur Glaubwürdigkeitsfrage
Die Koalition stehe vor einer Lücke von 30 Milliarden Euro. Kropp mahnt: „Man kann das nicht nur finanzieren, indem man auf der einen Seite sagt, ich erhöhe keine Steuern, auf der anderen Seite Schulden aufnimmt.“
### 4. Vermögensbesteuerung als Streitpunkt
Linartas fordert eine Milliardärssteuer und argumentiert: „Wenn wir allein Vermögen so besteuern würden, wie […] USA, Frankreich, Großbritannien […], dann würden wir auf einen Schlag Mehreinnahmen von 120 Milliarden Euro Jahr für Jahr generieren.“ Resing kontert, das sei „absurd“, da Vermögen bereits besteuert worden seien.
### 5. Die Union ringt um Ausrichtung
Resing beschreibt eine veränderte Unionsfraktion: „Für [die neuen Abgeordneten] ist Donald Trump […] schon immer da gewesen.“ Die Frage, ob die CDU eine Koalition mit der AfD ausschließt, beantwortet er mit einer bemerkenswerten Einschränkung: „Die Brandmauer steht, bis es nicht mehr funktioniert mit der Mehrheit.“
### 6. Außenpolitik als Ablenkung oder Notwendigkeit?
Die Reisen von Spahn und Mirsch in die Ukraine sowie Merzens internationaler Auftritt werden kontrovers bewertet. Während Kropp warnt, Wahlen würden „mit der Innenpolitik gewonnen“, verteidigt Resing: „Wir würden liebend gerne uns auf innenpolitische Debatten stürzen, wenn es denn ginge.“
## Einordnung
Die Runde wirkt wie ein Spiegel des Koalitionszustands: viel Bewegung, wenig Bewegung. Die Diskussion bleibt weitgehend an der Oberfläche, tiefer liegende Konflikte – etwa die strukturelle Frage, warum so viele Arbeiter:innen zur AfD abwandern – werden zwar benannt, aber nicht wirklich durchdrungen. Besonders auffällig: Die Expertise von Linartas zur Ungleichheitsforschung wird zwar zitiert, aber kaum rezipiert; stattdessen folgt eine klassische rechte Gegenrede über „Freiheit ohne Ungleichheit“. Auch die Andeutung, die CDU könne sich bei Mehrheitsproblemen „eventuell“ der AfD öffnen, bleibt unkommentiert. Die Moderation verzichtet auf Nachfragen, wodurch problematische Positionen stehen bleiben. Die Sendung liefert damit eindrucksvoll, was sie kritisiert: fehlende Führung und klare Kursbestimmung.
Hörwarnung: Wer klare Analysen und durchdachte Lösungsvorschläge erwartet, wird enttäuscht sein – die Runde bleibt weitgehend in der politischen Rhetorik gefangen.