Der Rest ist Geschichte: Österreich - Phantomschmerz eines untergegangenen Weltreichs
Ein kurzer, scharfer Podcast über die Macht geschichtlicher Mythen: Warum die österreichische Rechte mit Monarchie-Sehnsucht Wähler:innen gewinnt.
Der Rest ist Geschichte
10 min read2788 min audioDer Deutschlandfunk-Nova-Podcast „Lange her, aber nicht vorbei“ fragt in der Folge „Österreich war einst ein mächtiges Imperium. Heute ist es ein kleiner EU-Staat mit einer mächtigen rechten Partei. Historiker sagen: Das eine hat mit dem anderen zu tun. Man erinnert sich halt lieber an die Monarchie als an Nazi-Schuld.“ (Jörg Biesler) danach, warum die FPÖ heute so erfolgreich ist – und findet Antworten in der unvollständigen Aufarbeitung der österreichischen Geschichte.
### T1: Österreich habe sich jahrzehntelang als „erstes Opfer“ dargestellt
Politikwissenschaftler Walter Manoschek erklärt, dass nach 1945 die Legende vom „Opferstaat“ entstanden sei. Damit habe man „die gesamte österreichische Verantwortung für die Beteiligung am Nationalsozialismus beiseite geschoben“.
### T2: Der Fall Waldheim 1986 habe das Land gespalten
Manoschek nennt die Wahl des ehemaligen Wehrmacht-Offiziers Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten trotz internationaler Kritik „das größte Trauma der Zweiten Republik“. Die politische Elite habe sich damals hinter Waldheim gestellt und damit „ein selbstbewusstes Österreich“ konstruiert, das sich „von außen nichts vorschreiben lässt“.
### T3: Die Monarchie werde als Gegenentwurf zur Republik verklärt
Zeithistoriker Helmut Konrad beschreibt, dass die Monarchie „bis heute wirksam“ als „Ideal, als Gegenideal zur Republik“ diene. Diese Erzählung sei „eine wichtige Ressource für viele rechtsextreme Gruppierungen, für die FPÖ und andere“.
### T4: Die Republik gelte vielen als „Provisorium“
Konrad erklärt, dass die Erste Republik „ein nicht gewollter Staat der damaligen politischen Eliten“ gewesen sei. Diese Sichtweise habe sich bis heute gehalten: „Die Republik immer als ein Notbehelf, als etwas Provisorisches verstanden.“
### T5: Die FPÖ nutze historische Mythen gezielt für ihre Politik
Manoschek berichtet, dass die FPÖ ihren Präsidentschaftskandidaten „als kaiserlichen Kandidaten bezeichnet“ habe. Die Partei sage absichtlich nicht „Republik Österreich“, sondern nur „Österreich“, um die Monarchie als vermeintlich bessere Vergangenheit aufzugreifen.
## Einordnung
Der Podcast arbeitet journalistisch auf höchstem Niveau: Historische Zusammenhänge werden klar herausgestellt, Experten kommen zu Wort und bekommen Zeit für komplexe Gedanken, und der Sprecher bleibt souverän im Hintergrund. Besonders stark: Die Redaktion verzichtet auf eine falsche „Balance“ – es gibt keine Gegenrede zur Fachmeinung der Historiker:innen. Stattdessen zeigt der Beitrag präzise, wie rechte Akteure gezielt mit Geschichte politisch operieren. Die knappen 10 Minuten sind dicht informiert, ohne in Geschichtsunterricht zu verfallen. Der Fokus auf die monarchistische Sehnsucht als Erklärungsfaktor für heutige rechte Erfolge ist einleuchtend und für deutsche Hörer:innen ein wichtiger Perspektivwechsel. Einziger Wermutstropfen: Die Geschichte endet abrupt, ohne Ausblick auf aktuelle Debatten oder Widerstand gegen diese Geschichtspolitik. Dennoch: Wer verstehen will, warum Rechtspopulismus in Österreich so erfolgreich ist, findet hier eine fundierte, hochwertige Analyse.