Apokalypse & Filterkaffee: Presseklub: Friedensengel Donald Trump?
Presseclub mit ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann, Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer und Spiegel-Redakteur Maximilian Popp über den Gaza-Waffenstillstand, die Geisel-Freilassung und die Chancen eines dauerhaften Friedens.
Apokalypse & Filterkaffee
3573 min audioDer "Apokalypse & Filterkaffee"-Presseclub diskutiert den neuen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Der Moderator Markus Feldenkirchen begrüßt die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann, Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer und Spiegel-Redakteur Maximilian Popp. Sie analysieren die 20-Punkte-Initiative von Donald Trump, die Druckmittel der USA, Katar und Ägypten sowie die Stimmung in Tel Aviv und Gaza. Alle sind sich einig: Die Freilassung der Geiseln ist ein großer Schritt, doch über die Entwaffnung der Hamas, die künftige Verwaltung Gazas und den Zeitpunkt eines israelischen Rückzugs bleibt vage. Besonders kontrovers wird der Austausch von 20 lebenden Geiseln gegen fast 2.000 palästinensische Häftlinge, darunter Terroristen, diskutiert. Die Teilnehmer:innen zeigen sich erleichtert über die Waffenruhe, halten aber eine dauerhafte Lösung für noch in weiter Ferne. Durchgehend wird Trump zwar als treibende Kraft hinter dem Deal gelobt, doch seine Unberechenbarkeit, seine Nähe zu Autokraten und das Fehlen europäischer Beteiligung kritisieren. Die Sendung endet mit einem Funken Hoffnung, betont aber, dass die wirklich schwierigen Fragen erst in Phase zwei und drei anstehen.
### Trump habe auf Druckmittel wie den israelischen Luftschlag in Katar und persönliche Beziehungen zu Golf-Staaten gesetzt
Paul Ronzheimer zufolge habe Trump die Eskalation genutzt, um Netanyahu zu einem Deal zu zwingen: "Er hat Leute wie Steve Witkoff, wie Jared Kushner, die zwischen Qatar und Israel hin und her fliegen können und zu beiden Seiten wirklich extrem enge Drähte haben."
### Die emotionale Aufnahme des Abkommens in Tel Aviv sei "wahnsinnig emotional", Trump werde dort sogar gefeiert
Paul Ronzheimer berichtet: "Dort haben viele die israelische Flagge geweht, aber eben auch die amerikanische und haben Donald Trump gefeiert." Die Geisel-Familien bedankten sich ausdrücklich beim US-Präsidenten.
### Die Hamas lehne eine Entwaffnung strikt ab, eine fünf- bis zehnjährige Waffenruhe gelte nur unter Bedingungen
Sophie von der Tann: "Die Hamas hat natürlich mit den Geiseln ein großes Druckmittel." Die Organisation wolle ihre Waffen nur in einem Depot abgeben, nicht an Israel oder arabische Partner.
### Die israelische Regierung bestehe auf Präsenz im Gazastreifen, bis die Hamas entwaffnet sei
Sophie von der Tann warnt: "Netanyahu sagt er auch immer wieder. Und da ist die große Frage, wird es dazu kommen? Oder ist diese Linie jetzt vielleicht die Linie, bei der es bleibt?"
### Die EU und Deutschland spielten in den Verhandlungen praktisch keine Rolle, eine Wiederaufbau-Konferenz stehe an
Maximilian Popp konstatiert lapidar: "Sie spielen dort einfach keine Rolle. Das kann man jetzt erstmal so festhalten." Eine deutsche-ägyptische Konferenz solle künftig helfen, Gaza wieder aufzubauen.
## Einordnung
Der Podcast bietet profunde Einblicke in Diplomatie, Druckmittel und die Stimmung der Betroffenen. Besonders wertvoll sind die Live-Einschätzungen aus Tel Aviv und Jerusalem. Gleichzeitig bleibt die Sendung in der Bewertung des US-Präsidenten ambivalent: Trump wird als "Immobilienentwickler" verspottet, gleichwohl seine Verhandlungsführung gelobt. Die Diskussion um die Proportion von 20 Geiseln gegen 2.000 freizulassende Palästinenser zeigt die ethische Gratwanderung, bleibt aber oberflächlich, weil keine juristischen oder sicherheitspolitischen Details folgen. Kritisch: Rechtsradikale Koalitionspartner Netanyahus werden zwar erwähnt, ihre Positionen aber nicht hinterfragt. Insgesamt liefert die Runde eine informative Analyse, wobei die Expertise der Gäste durch gelegentliche Trump- und Selbstironie des Moderators aufgelockert wird. Die fehlende europäische Perspektive wird zwar benannt, aber nicht weiterverfolgt.