Die knapp 43-minütige Radio-France-Kolumne "Le Magazine du week-end" vom 24. August 2025 widmet sich dem Tod des Streamers Jean Pormanov, der unter dem Pseudonym "JP" tagelang live auf der australischen Plattform Kick gedemütigt, geschlagen und schließlich verstorben war. Die Journalistin Mathilde Goanec (Mediapart), der Jurist Bastien Le Querrec (Quadrature du Net) und die Anwältin Nathalie Tehio (Ligue des Droits de l’Homme) diskutieren, warum trotz frühzeitiger Presse- und NGO-Meldungen an die Aufsichtsbehörde Arcom nicht rechtzeitig interveniert wurde. Im Zentrum stehen strukturelle Unterfinanzierung der Justiz, europäische Kooperationsprobleme und die Frage, ob die Plattform Kick wegen Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden kann. Die Sendung wirft zudem einen Blick auf die Verantwortung der Zuschauer:innen, die teils für weitere Demütigungen spendeten, und diskutiert, ob das Internet in einem „digitalen Far-West“ versinkt oder ob bestehende Regulierungsinstrumente (DSA, französisches Recht) nur konsequent anzuwenden wären. ### Streamer-Szene nutze eine Person unter Vormundschaft als "Requisite" Die Recherchen hätten gezeigt, dass die beiden Hauptstreamer Naruto und Safine gezielt den unter Vormundschaft stehenden Koudou und den leicht reizbaren JP mit Spenden-Incentives zu immer extremeren Gewaltszenen angestachelt hätten. Dabei sei die Grenze zwischen inszeniertem „Wrestling-ähnlichem Spektakel“ und echter Gewalt bewusst verwischt worden. ### Behörden reagierten nur halbherzig Die zuständige Staatsanwaltschaft in Nizza habe wegen chronisch knapper Ressourcen nur „ein halbes Vollzeitäquivalent“ auf den Fall angesetzt. Die Ministerin für Digitales habe erst nach dem Tod reagiert – obwohl Mediapart und die LDH bereits im Februar 2025 Hinweise an Arcom und das Innenministerium weitergeleitet hätten. ### Rechtliche Verantwortung der Plattform Kick Kick habe jahrelang keinen EU-Bevollmächtigten benannt und sich hinter dem Grundsatz der „Plattform-Immunität“ versteckt. Le Querrec erklärt, dass der Digital Services Act (DSA) seit Februar 2024 klare Pflichten zur Melde- und Entfernung illegaler Inhalte vorschreibe – diese seien aber offenbar nicht umgesetzt worden. ### Gefahr politischer Reaktion: mehr Polizei statt mehr Justiz Die Gäste warnen, dass konservative Stimmen den Fall nutzen könnten, um für mehr Online-Zensur und administrative Sperren ohne richterliche Prüfung zu werben. Tatsächlich fehle es an Budget und IT-Fachpersonal bei Polizei und Justiz, nicht an Gesetzen. ## Einordnung Die Sendung versteht sich als investigativer Rechts-Streitgespräch; journalistisch liefert sie eine sorgfältige Aufarbeitung, ohne die politische Dimension auszusparen. Besonders bemerkenswert ist, dass die Expert:innen nicht die Inhalte, sondern die mangelnde Durchsetzung bestehender Regeln kritisieren. Rechte Verschwörungserzählungen oder Gewaltverherrlichung werden nicht goutiert, wohl aber die Gefahr eines autoritären „Mehr-Polizei-Kurses“ benannt. Die Perspektive der Betroffenen bleibt marginal, doch die Forderung nach mehr Ressourcen für Justiz und Aufklärung statt nach mehr Zensur ist klar. Wer sich für digitale Plattformverantwortung und Justizreform interessiert, sollte reinhören – mit dem Bewusstsein, dass die Aufklärung des Falls noch nicht abgeschlossen ist.