Fest & Flauschig: Die Spinne hat kein Netz
Berliner Ausstellung, saudische Gagen, Poschardt vs. Amman und das Rephuhn als Friedensstifter – Böhmermann & Schulz schwanken zwischen Selbstinszenierung und Gesellschaftskritik.
Fest & Flauschig
111 min read5320 min audioJan Böhmermann und Olli Schulz diskutieren in dieser Unterhaltungspodcast-Folge über Böhmermanns Berlin-Ausstellung und die damit verbundene Kontroverse um die Terminwahl am Jahrestag des 7. Oktober. Sie sprechen über gesellschaftliche Polarisierung, die Rolle von Künstlern in politischen Konflikten und die Verantwortung öffentlicher Figuren. Weitere Themen sind Comedy-Auftritte in Saudi-Arabien, ein Interview zwischen Melanie Amman und Ulf Poschardt sowie die Frage nach Meinungsfreiheit und Empathie in der aktuellen Diskussionskultur. Der Ton ist persönlich, assoziativ und mit vielen ironischen Seitenhieben gespickt – typisch für das Format, das bewusst zwischen Unterhaltung und Kommentar schwankt.
### 1. Die Ausstellung in Berlin war ein diskursives Minenfeld
Böhmermann habe seine Ausstellung am 7. Oktober eröffnen wollen, was ihm von Kritikerseite als „unvernünftig“ erscheine. Er räume ein, dass die Terminwahl „nicht mit leichtem Herzen aufrechtzuerhalten“ gewesen sei und habe Konzerte abgesagt. Das Internet habe daraufhin Druck aufbauen lassen, sodass kein Künstler mehr auftreten wolle.
### 2. Positionierung vs. Offenhalten von Diskursräumen
Die beiden sehen sich selbst als „antiautoritär“. Sie argumentieren, dass öffentliche Personen bewusst auf klare Positionierung verzichten könnten, um Gespräche zwischen verfeindeten Lagern nicht zu verhindern. Dies gelte besonders für den Nahen Osten-Konflikt, bei dem sie als „nicht Betroffene“ in Deutschland einen „Stellvertreterkrieg“ führten.
### 3. Komiker in Saudi-Arabien: Integrität vs. hohe Gagen
Comedians wie Bill Burr, Dave Chappelle und Pete Davidson seien für teures Geld (375.000–1,6 Mio. Euro) in Riad aufgetreten, obwohl sie sich zuvor als „kritische Stimmen“ verstanden hätten. Schulz empfinde es als „enttäuschend“, wenn „Bastionen des kleinen Mannes“ ihre Integrität für relativ „kleine“ Summen verhökerten.
### 4. Poschardt vs. Amann: „Empathie war nicht erkennbar“
Ein Interview zwischen Springer-Journalist Ulf Poschardt und Ex-Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amman habe gezeigt, wie Poschardt angeblich „keine Empathie zur Schau stellen“ könne. Die beiden sprechen von einer „menschlichen Verletzung“ und „Selbst-Radikalisierung“, die sich körperlich in Gestik und Mimik äußere.
### 5. Rephuhn statt Amsel: Satire als Umwelt-Aktivismus
Als Reaktion auf den „Vogel des Jahres“-Wettbewerb werben Böhmermann und Schulz für das bedrohte Rephuhn. Sie inszenieren ihre Kampagne als gemeinsame Sache mit dem Konkurrenzpodcast „Gemischtes Hack“, um zu zeigen, dass auch „diskursive Zwischenräume“ zwischen vermeintlichen Feinden möglich seien.
## Einordnung
Die Folge ist kein klassisches Interviewformat, sondern ein 90-minütiges Pläuschchen zwischen zwei Freunden, die sich gegenseitig unterbrechen, Anekdoten inszenieren und mit Ironie auf aktuelle Kultur- und Politthemen reagieren. Die Argumentation bleibt dabei oft unausgegoren, Fakten und Behauptungen verschwimmen. Die Kritik an Comedians und Journalisten, die für Geld auftreten, während sie sich als moralische Instanzen verstehen, ist zwar berechtigt, aber selbst ohne belastbare Zahlen und konkrete Recherche. Poschardts Auftritt wird ohne Gegenrede verurteilt, die Saudi-Arabien-Kritik auf Gagenhöhe reduziert. Rechte oder menschenfeindliche Positionen werden nicht übernommen, aber durch die beiläufige,witzige Art bleibt ein Nachhall von „die da oben“-Ressentiments. Die Folge wirkt wie ein lebendes Stimmungsbarometer für ein progressives Publikum, das sich zwischen Selbstreflexion und Populismus-Genuss bewegt. Wer sich auf diesen Spagat einlässt, erhält ein unterhaltsames, aber eben kein journalistisch stringentes Update der deutschen Medienwelt.