Im Journalistik-Podcast „Wissenschaft im Brennpunkt“ (Deutschlandfunk) berichtet Autor Karl Urban über das ambitionierte Krafla-Magma-Testbed-Projekt auf Island. Dabei wollen internationale Forscher:innen erstmals gezelt in eine lebende Magmakammer vordringen, sie instrumentieren und langfristig experimentell verändern, um Vulkanausbrüche abzuschwächen oder gezielt Druck abzulassen. Neben Vulkanologe Jan Lavallée und Geologe Michael Cassidy erläutern Experten historische Manipulationsversuche – vom Abpumpen eines Sees am indonesischen Kelut bis zu militärischen Bombenplänen im Zweiten Weltkrieg. Die 30-minütige Sendung spannt den Bogen von fundamentaler Forschung über technische Risiken bis zu ethischen Fragen: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Eingriff misslingt? Welche Perspektiven bleiben ungehört? Und treibt allein Klimadruck künftig das kommerzielle Interesse an geothermaler Energie und seltenen Erden das Unterfangen voran? ### 1. Bohrung in lebendes Magma steht unmittelbar bevor Nach dem versehentlichen Kontakt 2009 plant das 40-Partner-Konsortium „Krafla Magma Testbed“ für 2026 einen kontrollierten Zugang in die 2,1 km tiefe Kammer, um sie zu instrumentieren und später gezielt zu manipulieren. Lavallée sieht darin den „phänomenalen“ Schritt zur Vulkan-Ingenieurwissenschaft: „We want to manipulate the magma in different ways to find out how it reacts.“ ### 2. Vulkanisches „Entkorken“ soll Explosionen entschärfen Analog zur vorsichtig geöffneten Champagnerflasche will das Team Druck langsam abbauen, bevor sich ein Vulkan explosiv entlädt. Lavallée plädiert für ein Netz zusätzlicher Entlastungsbohrungen und eventuell gezielte Kühlung: „We would probably need a lot more holes. But it doesn't mean it's impossible.“ ### 3. Faktenwissen über Magma bleibt lückenhaft Trotz Bodendeformation, Seismik und Gasmessungen sei der Zustand des Magmas weiterhin eine Blackbox, räumt Lavallée ein. Nur direkte Messungen in der Kammer könnten Eruptionsart, Auslaufbahn und Evakuierungsradius zuverlässig vorhersagen helfen. ### 4. Historische Geo-Engineering-Versuche zeigen ambivalente Bilanz Cassidy führt Beispiele wie den erfolgreichen Wasserstand-senkung am Kelut neben gescheiterten Militärprojekten an. Die Lehre: „But this contact seems to neither trigger significant eruptions nor cause other negative consequences.“ Dennoch bleiben langfristige Folgen offen. ### 5. Klima- und Rohstoffdruck könnten Eingriff beschleunigen Cassidy hält Vulkan-Geo-Engineering für „inevitable“, weil globale Erwärmung und steigender Bedarf an Lithium und geothermischer Energie zwangsläufig in tiefe Untergrund-Technologien führen: „We will turn to volcanoes to extract rare earths.“ ### 6. Verantwortungsfrage steht im Raum Die Diskussion bleibt auf Wissenschaftler:innen beschränkt; betroffene lokale Gemeinden oder Umwelt-NGOs kommen nicht zu Wort. Cassidy formuliert das Dilemma: Wer das Risiko eines Eingriffs trage, werde stärker zur Rechenschaft gezogen als beim Nichtstun, selbst wenn später eine globale Katastrophe folge. ## Einordnung Der Beitrag erfüllt journalistische Standards: Fakten werden durch Experten zitiert, historische Kontexte aufbereitet und ethische Spannungsfelder angerissen. Doch die Perspektive bleibt einseitig westlich-wissenschaftlich; lokale oder indigene Stimmen fehlen völlig. Die Sendung reproduziert damit ein Machtgefüge, in dem technokratische Lösungen für das „Risiko der Anderen“ entwickelt werden. Die Argumentation folgt einem klaren Fortschritts-Frame: Neue Technik sei alternativlos, um globale Katastrophen abzuwenden. Kritische Gegenfragen – etwa zu Rechtsgrundlagen, zu möglichen Beben durch Druckabbau oder zur Kommerzialisierung von Vulkansystemen – werden angedeutet, aber nicht vertieft. Die Vermarktung als „Hightech gegen Höllenglut“ verleiht dem Vorhaben zusätzliche Heroisierung. Insgesamt liefert der Podcast eine spannende, aber unausgewogene Bestandsaufnahme eines hochriskanten Unterfangens.