Wind und Wurzeln - mit Marina Weisband: Wie kann das Schulsystem besser werden?
Psychologin und Ex-Politikerin Marina Weisband kritisiert das deutsche Schulsystem als reformstagniert, leistungsdruckbelastet und demokratiefeindlich – mit Fakten, Emotionen und konkreten Reformvorschlägen.
Wind und Wurzeln - mit Marina Weisband
52 min read2661 min audioMarina Weisband, ehemalige Politikerin und Psychologin, widmet sich in ihrer Podcast-Folge „Wind und Wurzeln“ dem Thema Bildungspolitik in Deutschland. Sie kritisiert das deutsche Schulsystem als veraltet, leistungsdruckbelastet und ungerecht, da es seit Jahrzehnten bekannte Reformen nicht umsetzt. Weisband argumentiert, dass Schule nicht nur Wirtschaftsinteressen dienen sollte, sondern auch persönliche Entfaltung, demokratische Teilhabe und interkulturelle Kompetenz fördern muss. Sie fordert ein Ende des dreigliedrigen Schulsystems, weniger Druck durch Noten, späteren Unterrichtsbeginn für Jugendliche, mehr Beteiligung von Schüler:innen und eine stärkere Finanzierung von Bildung. Als zentrale Hindernisse benennt sie politische Kurzfristigkeit, Bundesländer-Fragmentierung, Adultismus, Sexismus und Klassismus.
### 1. Schule töte Neugier und kreative Potenziale
Weisband zitiert Sir Ken Robinson mit den Worten: „we are educating people out of their creative capacities“. Sie ergänzt: „eine schlechte Schule schafft es manchmal regelrecht aus kreativen, lustigen, fröhlichen und offenen kleinen Menschen jede Kreativität zu quetschen.“
### 2. Leistungsdruck führe zu psychischen Erkrankungen
„Laut Studien leiden immer mehr Kinder und Jugendliche an Burnout und Depression… Der Leistungsdruck durch Schulen und Eltern wird dabei immer wieder als einer der häufigsten Auslöser genannt.“
### 3. Bildungspolitik verfolge kurzfristige statt langfristige Ziele
„Politik immer nur für die nächsten vier, auf Landesebene auch manchmal fünf Jahre plant… Um Veränderungen im Bildungssystem anzustoßen, bräuchte es aber viel langfristigere Pläne und Strategien.“
### 4. Strukturelle Diskriminierung verstärke soziale Ungleichheit
Weisband führt Adultismus, Sexismus und Klassismus an: „Kultusministerinnen sind oft weiblich… ein weiches Thema, ein Frauenthema… Bildungsverlierer kommen bei uns ja oft aus finanziell schwächeren Milieus.“
### 5. Kinder und Jugendliche würden systematisch entmündigt
„Kinder und Jugendlichen haben literally keine Stimme… ihre Bedürfnisse für die großen Parteien weniger wichtig als die Bedürfnisse der zahlenmäßig relevanteren Gruppe, der baldigen und jetzigen Rentnerinnen.“
### 6. Eltern blockierten oft progressive Reformen
„Eltern sind die ersten, die sich empören, weil sie ja dann nicht wissen, ob ihr Kind eine drei oder eine vier hat“, wenn Schulen Noten abschaffen wollen.
## Einordnung
Marina Weisband liefert eine unterhaltsame, emotional aufgeladene Kritik am deutschen Bildungssystem, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, aber gezielt mit Pathos arbeitet. Ihre Argumentation ist durchgehend linkspolitisch, klischeehaft männliche Politik wird als „Männer in Anzügen“ verspottet, während sie selbst die Autorität der Psychologie und Pädagogik nutzt, um Legitimation zu generieren. Dabei beansprucht sie Deutungshoheit über „die“ Eltern, „die“ Wirtschaft und „die” Politik. Die Folge besticht durch klare Struktur, pointierte Sprache und persönliche Betroffenheit, bleibt aber in der Analyse der Machtverhältnisse oberflächlich: Warum bestimmte Akteure ihre Interessen durchsetzen können, wird nicht tiefer durchleuchtet. Der Anspruch, „nicht nur die Probleme anzustarren“, wird eingelöst: konkrete Reformvorschläge und Handlungsoptionen runden die Sendung ab. Die Mischung aus Empörung, Fakten und Hoffnung ist typisch für das Format eines engagierten Unterhaltungspodcasts mit Bildungsauftrag. Ob man die Folge hören sollte? Ja, wenn man eine emotional aufgeladene, links-progressive Perspektive auf Bildungspolitik schätzt – mit dem Bewusstsein, dass komplexe Machtdynamiken und wirtschaftliche Zwänge nur angerissen werden.