Treibhauspost: Die größte Umverteilungspolitik aller Zeiten
Warum Deutschlands Aufrüstung eine "Sicherheitslüge" ist und die wahre Sicherheit in bürgernaher, erneuerbarer Energie liegt.
Treibhauspost
17 min readIn dieser Ausgabe der Treibhauspost interviewen die Autoren die Investigativ-Journalistin Annika Joeres zu ihrem Buch "Die Sicherheitslüge". Joeres' zentrale These lautet, dass die aktuelle Fokussierung der Bundesregierung auf militärische Aufrüstung die eigentliche Sicherheitsbedrohung verschleiert: die massive Abhängigkeit von fossilen Energien aus autoritären Staaten. Sie bezeichnet es als "doppelzüngig", einerseits die Ukraine zu unterstützen und andererseits durch fortgesetzte Öl- und Gasimporte, etwa über verschleierte Tankerflotten, Putins Kriegskasse zu füllen. Diese Abhängigkeit betreffe nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern auch die Bundeswehr selbst, deren Panzer ohne Ölimporte stillstünden.
Joeres argumentiert, dass von dieser "Sicherheitslüge" vor allem Öl- und Gaskonzerne sowie autokratische Regime profitieren, was sie als "die größte Umverteilungspolitik aller Zeiten" bezeichnet, bei der Geld von den Bürger:innen zu Oligarchen fließe. Darüber hinaus stellt sie eine Verbindung zwischen der fossilen Lobby und der Stärkung rechtskonservativer bis rechtsextremer Netzwerke her. Sie nennt als Beispiele Thinktanks wie das Heartland Institute oder die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die Profitinteressen über demokratische und ökologische Belange stellten. Als konkreten Lösungsansatz präsentiert Joeres das Modell der bürgernahen Energiewende. Am Beispiel der Gemeinde Großbardorf in Unterfranken zeigt sie, wie durch Energiegenossenschaften mit Wind- und Solarenergie nicht nur Unabhängigkeit von globalen Krisen, sondern auch lokaler Wohlstand, neue Arbeitsplätze und gesellschaftlicher Zusammenhalt geschaffen werden können.
Länge des Newsletters: 16697
## Einordnung
Der Newsletter nutzt das Interviewformat, um eine klare und zugespitzte Argumentation zu präsentieren. Das Framing ist eindeutig: Die Energiewende wird nicht primär als Klimaschutzmaßnahme, sondern als zentrale Säule nationaler Sicherheit und demokratischer Resilienz dargestellt. Die Perspektive ist dabei einseitig auf die Thesen von Annika Joeres fokussiert; Gegenstimmen aus Politik, Militär oder der fossilen Industrie kommen nicht zu Wort. Die implizite Annahme ist, dass die technischen und sozialen Herausforderungen einer dezentralen Energieversorgung im Wesentlichen gelöst sind und die Umsetzung primär am politischen Willen und dem Einfluss von Lobbygruppen scheitert.
Argumentativ wird eine scharfe Dichotomie zwischen einer korrupten, globalisierten fossilen Industrie und einer integren, lokalen Bürgerenergie aufgebaut. Diese Zuspitzung ist rhetorisch wirksam, vereinfacht aber komplexe energiepolitische Realitäten. Die Verbindung zwischen fossilen Konzernen und rechten Netzwerken wird als Fakt dargestellt, was zwar investigativ begründet wird, im kurzen Interviewformat aber zwangsläufig an Tiefe verliert. Der Newsletter ist lesenswert für alle, die eine scharfe, systemkritische Perspektive auf die Verflechtung von Energie-, Sicherheits- und Demokratiefragen suchen. Er liefert eine motivierende, lösungsorientierte Erzählung, die über die reine Problemanalyse hinausgeht.