SPRIND – der Podcast der Bundesagentur für Sprunginnovationen: #107 Markus Zweckstetter
Physiker und Gründer Prof. Dr. Markus Zweckstetter über die Alzheimer-Forschung, Tau-Protein als Hoffnungsträger und den langen Weg vom Labor zur Apotheke.
SPRIND – der Podcast der Bundesagentur für Sprunginnovationen
37 min read2424 min audioDer Podcast "SPRINT – der Podcast der Bundesagentur für Sprunginnovationen" widmet sich in dieser Folge der Frage, wann endlich wirksame Medikamente gegen Alzheimer und andere neurodegenerative Krankheiten kommen. Moderator Thomas Ramge spricht mit Prof. Dr. Markus Zweckstetter, Physiker, Biochemiker und Gründer des Biotech-Start-ups BrainQR Therapeutics, über den aktuellen Stand der Demenzforschung und die Hoffnung auf neue Therapien.
### Erstes zugelassenes Alzheimer-Medikament in Europa seit Jahrzehnten – mit nur minimaler Wirkung und schweren Nebenwirkungen
Zweckstetter erklärt, dass das erste neue Alzheimer-Medikament seit 25–30 Jahren in Europa zugelassen wurde: Lekembi (Lecanemab). Es verlängere den Krankheitsverlauf um etwa 30 % – bei einem typischen Verlauf von zehn Jahren wären es also 13 Jahre. Allerdings gelte dies nur für eine hoch selektierte Patientengruppe, der Nutzen sei „sehr gering“, und es gebe schwerwiegende Nebenwirkungen wie Mikroblutungen im Gehirn, die in seltenen Fällen tödlich sein könnten. Zweckstetter zitiert: „Es ist wirklich nur ein extrem kleines Fenster, in welchem das Medikament verwendet werden kann.“
### Tau-Protein als vielversprechendes Ziel – Korrelation mit klinischem Bild stärker als bei Amyloid-Beta
Die bisherigen Therapien wie Lekembi greifen Amyloid-Beta-Ablagerungen an. BrainQR fokussiert sich stattdessen auf das Tau-Protein, da dessen pathologisches Verhalten stärker mit dem klinischen Bild korreliere. Zweckstetter betont: „Wo man Tau pathologisch findet im Gehirn, das führt dann zu bestimmten klinischen Typ oder Einschränkungen.“ Die Hoffnung basiere auch auf einer kolumbianischen Bevölkerungsgruppe mit genetisch bedingter Alzheimer-Krankheit, bei der drei Personen ohne Tau-Ablagerungen trotz vorhandener Amyloid-Ablagerungen 30 Jahre länger ohne Demenz gelebt hätten.
### Präklinische Phase – Substanz soll Tau-Ablagerungen verhindern, Effekt „mindestens um Faktor 10 besser“
BrainQR befinde sich noch in der präklinischen Phase. Die entwickelte Substanz habe in Zell- und Tiermodellen gezeigt, dass sie Tau-Ablagerungen verhindere – und zwar „in einer bisher nicht dagewesenen Art und Weise“. Im Vergleich zu anderen weltweit getesteten Ansätzen sei der Effekt „mindestens um eine oder um Faktor 10 oder Faktor 100 besser“.
### Klinische Entwicklung braucht Milliarden – und politische Unterstützung bei IP und regulatorischen Fragen
Für die klinische Entwicklung seien enorme finanzielle Mittel nötig: „15 Millionen, 40 Millionen und dann vielleicht 300 Millionen oder 400 Millionen“ für die Phasen 1–3. Zweckstetter kritisiert, dass die Verhandlungen über die Nutzung von Forschungsergebnissen aus öffentlich finanzierter Forschung („IP-Verhandlungen“) über ein Jahr gedauert hätten. Er plädiert für pragmatische Lösungen wie in den USA, wo Universitäten typischerweise eine 3-Prozent-Beteiligung erhalten.
### KI als Beschleuniger – aber klinische Studien bleiben zeitintensiv
Künstliche Intelligenz spiele eine große Rolle bei BrainQR, um die Medikamentenentwicklung zu skalieren. Allerdings bleibe die Dauer klinischer Studien bestehen: „Um einen positiven Readout in der Alzheimererkrankung zu sehen, müssen Sie 1.000 Patienten über 72 Monate behandeln in Phase 3.“
## Einordnung
Der Podcast präsentiert sich als informelles, aber kompetentes Gespräch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Ramge gelingt es, komplexe medizinische Zusammenhänge in verständliche Bilder zu übersetzen – etwa das Spiegelei als Metapher für Proteinfehlfaltung. Die Gesprächsführung bleibt dabei stets respektvoll und forschend, ohne überzogenen Optimismus oder Heilsversprechen. Besonders bemerkenswert ist die Offenheit, mit der Zweckstetter über die begrenzte Wirksamkeit aktueller Therapien und die langen Wege bis zur Marktreife spricht. Die Kritik an überbürokratischen IP-Verfahren und die Forderung nach politischer Unterstützung für Translation wird deutlich, bleibt aber sachlich. Es gibt keine Hinweise auf problematische Inhalte oder rechte Tendenzen. Die Perspektive bleibt auf wissenschaftliche Fakten und gesellschaftlichen Nutzen fokussiert.