Im 55-minütigen Gespräch mit Sam Cole vom investigativen Tech-Magazin 404 Media berichtet Noelle Perdue, Pornoscriptwriterin und Internet-Pornohistorikerin, über ihre Karriere bei Studios wie Brazzers und Pornhub, erklärt, warum Parodie-Pornos („The Loin King“, „Strokémon“) oft mehr Komödie als Erotik sind, und kritisiert, dass US-Gesetze queere und trans* Identitäten zunehmend als „obscene“ brandmarken. Sie warnt vor den psychologischen Folgen hochprivater AI-Pornografie und AI-Partner:innen, da sie echte Menschenverbindungen ersetzen und Scham verstärken könnten. Zudem sieht sie in den geplanten Bundes- und Bundesstaatlichen Anti-Porno-Gesetzen (u. a. von Mike Lee und in Michigan) eine Strategie, um „pornografisch“ zu definieren, was letztlich fast jede sexuelle Darstellung verbieten würde – ein Vorgehen, das historisch schon gegen interracial und schwule Inhalte instrumentalisiert wurde. ### 1) Historische Parallelen: Pornographiegesetze dienten schon immer der Marginalisierung Perdue zeigt auf, dass sich hinter aktuellen Anti-Porno-Vorstößen ein Muster wiederholt: Seit den 1950er-Jahren würden „obscenity laws“ nicht gegen tatsächliche Gewalt, sondern gegen als „nicht respektabel“ geltende Identitäten gebracht – zuerst gegen interracial Paare („mainstream films with interracial relationships … were deemed obscene“), später gegen homosexuelle Inhalte und nun gegen Trans*-Sein. Diese Assoziation rechtfertige heute gezielt antitrans* Gesetze. ### 2) Porno-Parodien sind Kulturarbeit – die Titel sind halb der Witz Die Expertin schwärmt von der „poetischen“ Kunst, aus Filmtiteln pornografische Wortspiele zu bilden („Come Throat Kitchen“, „Diners, Drive-Ins, and Dick“), weil das Publikum dadurch erkenne, dass Pornos „fun“ sein dürfen. Die aktuelle Rechtslage lasse diese Kreativität verschwinden, da Parodien heute oft nur noch „Film Titel – A Porn Parody“ heißen dürfen. ### 3) Konservative Gesetzesprojekte würden praktisch jede Sexualität kriminalisieren Der „Interstate Obscenity Definition Act“ und ähnliche Vorhaben definieren verbotenes Material danach, ob es „intended to arouse“ ist – ein Kriterium, das laut Perdue praktisch „alles“ erfassen könne: „at what point are we drawing the line … if a couple films themselves …?“ Die Gesetze nutze man, um LGBTQ+-Inhalte unter dem Vorwand des Kinderschutzes zu verbieten („queerness = obscenity“). ### 4) AI-Partner:innen fördern Isolation und Scham statt Entlastung Perdue beobachtet eine gefährliche Spirale: Je mehr normale Inhalte gesperrt würden, desto mehr Zuflucht nehmen Nutzer:innen zu hyperprivaten AI-Chatbots. Die fehlende menschliche Gegenstimme verstärke neurotische Fantasien („you are completely locked into your own mind“) und entziehe sich der Community-Kontrolle, die frühere Porno-Foren noch geboten hätten. ### 5) Tech-Firmen nutzen „Erotik für verifizierte Erwachsene“ als Vorwand für Alters- und Identitätsnachweise Die Ankündigung von ChatGPT, künftig Erotik anbieten zu wollen, sei vor allem ein Daten- und Altersverifikationsprojekt: „they’re doing age verification on ChatGPT. That is … what they’re announcing.“ Perdue erwartet, dass die Erotik-Funktion später wieder zurückgenommen, die Datenerhebung aber beibehalten wird. ### 6) Gegensteuerung passiert offline – Mensch-Made wird zum neuen Bio-Label Als Gegenentwurf zum „slop“-Internet setzt Perdue auf reale Festivals (z. B. Berlin Porn Film Festival) und analoge Medien. In einer Welt voller synthetischer Inhalte gewinne menschliche Kreativität an Wert – „human-made is going to be the new organic“. ## Einordnung Die Sendung versteht sich als lockeres, journalistisch ambitioniertes Tech-Gespräch, das sich durch klare Gegenpositionierung zur US-Kulturkonservativen Agenda profiliert. Cole und Perdue liefern keine harten Nachrichten, sondern eine kombinierte analytische und unterhaltende Perspektive, die durch persönliche Anekdoten („I forced people to watch The Loin King“) und pointierte Zitate ihre Argumente emotional verankert. Die redaktionelle Linie ist eindeutig links-progressiv: Sie zeigt, wie konservative Akteure mit vagen „Obscenity“-Definitionen queere Lebensrealitäten kriminalisieren und macht deutlich, dass digitale Überwachungs- und Altersverifikationsstrukturen oft unter dem Vorwand des Jugendschutzes eingeführt werden, tatsächlich aber sexuelle Meinungsfreiheit und damit auch Trans*- und Schwulenrechte einschränken. Die Kritik an AI-Pornografie richtet sich nicht gegen Sexarbeit oder erotische Inhalte per se, sondern gegen die Isolationswirkung und Datenabschöpfung, die mit kommerziellen KI-Partner:innen einhergehen. Insgesamt bietet die Episode eine gut recherchierte, wenn auch einseitige, dafür aber unterhaltsame Auseinandersetzung mit einem hochaktuellen Spannungsfeld aus Tech-, Sexualitäts- und Politikforschung.