Echo der Zeit: Uno-Gericht erklärt Klimaschutz zur Pflicht für Staaten

Internationale Hintergründe zu Klimarecht, US-Demokratiekrise, Ukraine-Protesten und Antisemitismus in der Schweiz.

Echo der Zeit
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In der Politik-Hintergrundsendung "Echo der Zeit" diskutiert Moderator Matthias Kündig mit Expert:innen mehrere internationale Entwicklungen. Hauptsprecher:innen sind Fredrik Steiger (Korrespondent), Thomas Zimmer (Historiker und ehemaliger Georgetown-Professor), Rebecca Barth (ARD-Korrespondentin Kiew), Christina Scheidegger (SRF-Journalistin), Patrick Wülse (Grossbritannien-Korrespondent) und weitere SRF-Journalist:innen. Das Programm behandelt völkerrechtliche Klimaschutz-Verpflichtungen, den Zustand der US-Demokratie, Ukraine-Proteste, Antisemitismus in der Schweiz und Tourismus-Vergleiche. ### Der Internationale Gerichtshof erkläre Klimaschutz zur völkerrechtlichen Staatspflicht Das oberste UNO-Gericht in Den Haag habe in einem über 500-seitigen Gutachten festgestellt, dass Klimaschutz nicht nur eine politische Option, sondern eine rechtlich einklagbare Verpflichtung für Staaten sei. Gerichtspräsident Yuji Iwasawa habe erklärt: "Die Erderwärmung stelle eine akute Bedrohung der Welt dar" und Staaten seien "nicht nur politisch, sondern auch rechtlich zum Handeln verpflichtet". Das Gutachten betone zudem, dass reiche Länder besondere Verantwortung trügen und ihre Klimafinanzierung für ärmere Länder "obligatorisch" sei, nicht freiwillig. ### Die USA befänden sich zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft Historiker Thomas Zimmer diagnostiziert einen dramatischen Systemwandel: "Wir haben es jetzt hier mit so einer Art Mischsystem zu tun, irgendwo zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft." Die Trump-Regierung bündle alle Macht in der Exekutive, schalte "gezielt die Machtkontrolle durch Kongress, Gerichte oder unabhängige Verwaltung aus" und gehe "aggressiv gegen Widerstände in der Zivilgesellschaft vor". Zimmer sieht dahinter "Verlustängste einer ehemals prägenden Schicht von weißen Christen", die glaubten, "ihr wahres Amerika" werde "kaputt gemacht". ### Ukrainische Proteste richteten sich gegen die Schwächung von Antikorruptions-Institutionen Trotz Kriegszustand hätten in mehreren ukrainischen Städten spontane Proteste gegen ein Parlamentsgesetz stattgefunden, das die Unabhängigkeit von Antikorruptionsbehörden einschränke. ARD-Korrespondentin Rebecca Barth berichtet: "Die Menschen befürchten nun, dass das Land um Jahre zurückgeworfen wird in Sachen Korruptionsbekämpfung. Das hat hier zu sehr viel Wut, zu sehr viel Unverständnis geführt." Präsident Zelenskyy habe das Gesetz mit der Begründung unterzeichnet, die Behörden seien "durchsetzt von russischen Agenten". ### Orthodoxe Juden würden vermehrt auf Schweizer Strassen angegriffen In Luzern und Davos seien orthodoxe Juden "beschimpft, angerempelt und bedroht" worden, berichtet Jonathan Kreutner vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Die Täter hätten laut Zeugen "Aussagen gemacht, die auf einen Bezug zum Nahen Osten und zum Krieg im Gazastreifen hinweisen". Kreutner erklärt: "Seit dem 7. Oktober 2023 hätten antisemitische Vorfälle in der Schweiz deutlich zugenommen." ## Einordnung Die Sendung präsentiert sich als klassisches öffentlich-rechtliches Informationsformat mit journalistischem Qualitätsanspruch. Die Moderation führt sachlich durch komplexe internationale Themen, wobei Expert:innen differenzierte Einschätzungen liefern. Besonders hervorzuheben ist Thomas Zimmers Analyse der US-amerikanischen Entwicklung, die eine ungewöhnlich drastische Diagnose stellt – er spricht offen von einem "Regimewechsel" und "autoritärem Umbau". Diese Einschätzung wird durch konkrete Beispiele gestützt, ohne dabei sensationalistisch zu werden. Die Berichterstattung folgt etablierten journalistischen Standards: Verschiedene Perspektiven werden einbezogen, Quellen transparent benannt und komplexe Zusammenhänge verständlich erklärt. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass bei kontroversen Themen wie den Ukraine-Protesten oder der Klimagerichtsentscheidung alternative Deutungen nur am Rande erwähnt werden. Die Sendung reproduziert weitgehend eine westlich-liberale Weltsicht, ohne diese als spezifische Perspektive zu reflektieren. Bei der Antisemitismus-Berichterstung wird der Kontext des Gaza-Kriegs zwar erwähnt, aber nicht vertieft diskutiert, was eine wichtige gesellschaftliche Debatte ausklammert. Insgesamt bietet die Sendung dennoch eine solide Informationsgrundlage mit fundierten Expert:innenmeinungen zu aktuellen Weltgeschehnissen.