Im Gespräch mit Stefan Braun analysiert der erfahrene Politikberater Klaus-Peter Schmidt-Deguelle Deutschlands Reformstau. Er sieht den Bundesrepublik als „nicht mehr richtig zukunftsfähig“ und beklagt fehlenden politischen Mut, Reformen durchzusetzen. Als zentrale Handlungsfelder nennt er Wirtschafts-, Sozial-, Energie- und Bildungspolitik. Die Bundesregierung solle zuerst die Wirtschaft stärken, um Spielräume für andere Reformen zu schaffen. Schmidt-Deguelle zieht Parallelen zur Agenda-2010-Ära: Wie einst brauche es klare Ziele, einen starken Kanzler und ehrliche Bürgerkommunikation. Die Lehre: Ohne Bürger:innen mitzunehmen, scheitern selbst notwendige Reformen.### 1. Reformblockaden liegen nicht an mangelndem Wissen, sondern an politischem Zaudern Schmidt-Deguelle konstatiert: „Der Mut fehlt, die Bevölkerung wirklich mitzunehmen.“ Die Politik wisse um den Handlungsbedarf, verliere sich aber in internen Debatten und biete keine klare Richtung.### 2. Wirtschaftsstandort steht vor Systemfragen „Wir sehen ja jetzt, dass die USA und China … uns den Rang ablaufen.“ Umso wichtiger sei es, Bürokratieabbau, Steuern, Fachkräfte und Energiepreise in einem Gesamtkonzept anzugehen.### 3. Agenda 2010 liefert Muster für heutige Reformstrategien Der damalige Kanzler habe gesagt: „Wir machen das jetzt, koste es, was es wolle.“ Schmidt-Deguelle fordert ähnliche Entschlossenheit und einen durchgeplanten Fahrplan.### 4. Kommunikationsdefizite gefährden Reformakzeptanz Die Bürger:innen erleben „nur noch Probleme“ ohne Perspektive. Überzeugendes Storytelling („es wird uns allen besser gehen“) sei Voraussetzung für Zustimmung.### 5. Preis politischer Reformen: möglicher Wahlniederlagen Parteien müssten bereit sein, „möglicherweise Wahlen zu verlieren“, wenn sie langfristige Weichen stellen. Vertrauen kehre zurück, sobald Reformen Früchte trügen.## Einordnung Das Format wirkt wie ein durchdachtes, journalistisch ambitioniertes Experten-Interview, nicht wie reine PR. Stefan Braun stellt klare Gegenfragen („Welchen Preis zahlt die Politik?“) und holt konkrete Handlungshinweise. Schmidt-Deguelle bleibt auf inhaltlicher Ebene; weder rechte Verschwörungsmuster noch Esoterik tauchen auf. Auffällig ist die Selbstverständlichkeit, mit der wirtschaftsliberale Modernisierung als oberstes Reformziel präsentiert wird – Alternativen wie Verteilungsgerechtigkeit oder ökologische Suffizienz bleiben randständig. Die Sozialpolitik erscheint primär als Kostendruck, nicht als Gestaltungsfeld für Teilhabe. Die Analyse bleibt so in einem neoliberalen Mainstream-Frame, ohne diesen zu hinterfragen. Für Hörer:innen, die Insider-Perspektiven auf Reformprozesse suchen, liefert die Episode kompakte Einsichten; wer sich für andere Gesellschaftsentwürfe interessiert, findet sie hier kaum.