En Carne Cruda, ein unabhängiges spanisches Radiomagazin, diskutieren Moderator:in Andrea Olea und die feministischen Expert:innen Silvia Nanclares, Ana Requena und Aime Román über strukturelle Versäumnisse des Staates gegenüber Frauen. Im Fokus stehen drei Themen: das Versagen des Brustkrebs-Früherkennungssystems in Andalusien, die Bedrohung des Schwangerschaftsabbruchsrechts durch politische Initiativen sowie technische Probleme bei den sogenannten „Anti-Gewalt-Armbändern“ für Betroffene häuslicher Gewalt. Die Sendung wirft einen feministischen Blick auf die Schnittmenge von Privatisierung, fehlender Ressourcen und politischem Rückschritt. Die Gespräche sind emotional, teils polemisch, aber stets klar auf eine feministische Analyse zielend. Die Expert:innen werfen Politik und Gesellschaft vor, Frauen systematisch zu enttäuschen und ihre Rechte auszugraben. Dabei nutzen sie klare Sprache („Déjadnos en paz“) und belegen ihre Kritik mit konkreten Beispielen und Fakten. Die Sendung endet mit dem Appell, sich gesundheitlich und politisch nicht entmündigen zu lassen und für öffentliche Dienste zu kämpfen. ### Täter:innen des Versagens seien nicht nur einzelne Akteure, sondern ein ganzes System Die Diskussion um das Versagen des Brustkrebs-Früherkennungssystems in Andalusien zeige, dass es sich nicht um einzelne Fehler handle, sondern um strukturelle Probleme: „No creo que sea en todos los casos exactamente lo mismo […] habla de falta de recursos humanos, de una saturación tremenda“. Die fehlende Ressourcenallokierung treffe Frauen besonders, da ihre Gesundheitsbedürfnisse systematisch vernachlässigt würden. ### Die Politik instrumentalisiere Frauenkörper für reaktionäre Ideologien Die Expert:innen werfen der Politik vor, mit fragwürdigen Konzepten wie dem „Post-Abort-Syndrom“ Frauen zu pathologisieren. Dieses Konstrukt existiere wissenschaftlich nicht, diene aber dazu, Schwangerschaftsabbruch zu stigmatisieren: „no hay un respaldo científico para esto del síndrome postaborto“. Statt evidenzbasierter Aufklärung würden emotionalisierende Mythen verbreitet. ### Privatisierung gefährde Frauenleben Die Betreuung sensibler Systeme wie Anti-Gewalt-Armbänder oder Gesundheitsvorsorge werde an private Firmen vergeben, was zu Datenverlust und mangelnder Qualität führe: „cómo puede estar la seguridad de unas supervivientes […] supeditadas a una migración de una empresa?“. Die Abhängigkeit von profitorientierten Anbietern untergrabe Verlässlichkeit und Mitsprache. ### Feministische Perspektiven auf Gesundheit und Reproduktion würden marginalisiert Die Debatten um Brustkrebs, Abtreibung und häusliche Gewalt zeigen ein Muster: Frauenspezifische Themen würden als „problemitas de mujeres“ abgetan und nicht mit der Dringlichkeit behandelt, die sie verdienten: "tengo la sensación de que el revuelo social habría sido mayor" hätte es sich um eine Männerkrankheit gehandelt, so die Expert:innen. ### Rechte Politik nutze soziale Unsicherheiten für Rollenbilder des „Frau-seins" Die aktuelle politische Agenda bediene sich rückwärtsgewandter Frauenbilder, um traditionelle Geschlechterrollen wiederherzustellen. Dabei würden reale soziale Unsicherheiten (z. B. Vereinbarkeit) instrumentalisiert, um Frauen zu suggerieren, mit weniger Rechten besser abgesichert zu sein: „ves, en un café en casa, haciendo tartas de manzana […] no estaba tan mal". ## Einordnung Die Sendung kombiniert journalistische Aufklärung mit feministischem Aktivismus. Die Expert:innen nutzen klare, zugängliche Sprache, um strukturelle Benachteiligung zu benennen. Dabei bleiben sie faktenorientiert, verzichten aber nicht auf Emotionen. Besonders wirkungsvoll: Sie rücken einzelne Politikversäumnisse in einen gesellschaftlichen Rahmen aus Privatisierung, patriarchaler Restauration und Ressourcenmangel. Die Diskussionskultur ist offen, es gibt keine Belehrung, sondern Aufforderung zur Solidarität und Eigenverantwortung. Kritisch: Einige Sätze klingen wie Pauschalurteile gegenüber Parteien oder Unternehmen, was die Komplexität der Zusammenhänge manchmal reduziert. Insgesamt liefert die Episode eine wichtige Gegenöffentlichkeit zu dominierenden Sicherheits- und Moraldiskursen. Für Hörer:innen, die sich für Gesundheitspolitik, Feminismus und Spanien aktuell interessieren, ist sie ein wertvoller, wenn auch emotional aufgeladener Kommentar.