Der ARD-Podcast „11KM“ widmet sich in der Folge vom 27. Oktober 2025 ausschließlich der Debatte um Bundeskanzler Friedrich Merz’ umstrittene Aussagen zum „Stadtbild“ und seinen Verweis auf „Töchter“. ARD-Hauptstadtkorrespondent Torben Ostermann erklärt, dass Merz’ Rhetorik nicht abrupt, sondern Teil eines personell bedingten Rechtsrucks der CDU sei. Die Sendung zeigt, dass Merz bewusst offenlässt, wen er meint, wodurch Zustimmung von der AfD-nahen Wählerschaft möglich bleibe, während intern Kritik an der Kommunikation wächst. Ostermann verortet die Union in einem strategischen Dilemma: Umfragen zeigen die CDU gleichauf mit der AfD bei 26 %, weshalb Parteistrategen diskutieren, ob man die AfD frontal als „Putin-Partei“ attackieren oder konservative Themen stärker besetzen solle. Die Analyse berührt auch den Januar 2025, als Union und AfD gemeinsam einen Entschließungsantrag zur Verschärfung des Asylrechts verabschiedeten – ein Tabubruch, der Teile der CDU-Wählerschaft verunsichert habe. Die zentrale These: Populistische Zuspitzungen nutzen langfristig eher der AfD, weil sie als „Original“ glaubwürdiger wirkt. Für 2026 stehen fünf Landtagswahlen an; in Ostdeutschland könnte die AfD allein regieren, was die CDU zwingt, Gefahren durch mögliche AfD-Regierungsbeteiligung in Bildung, Justiz und Verfassungsschutz konkret zu benennen. ### Merz’ Aussagen seien nicht nur Fehlkommunikation, sondern Teil einer konservativen Neuaufstellung der CDU Ostermann sagt, Merz’ Formulierungen seien „nichts, was sozusagen so ganz plötzlich passiert ist und das ist jetzt auch gar nicht so der große Masterplan, sondern aus meiner Sicht hat das viel damit zu tun, dass sich das Personal verändert hat“. Die Union habe sich „ein Stück weit nach rechts gerutscht“, weil neue Abgeordnete und Führungsfiguren wie Jens Spahn oder Karsten Linnemann deutlich konservativer seien als die Merkel-Ära. ### Die bewusste Unschärfe offenbare Strategiecharakter Indem Merz die Gruppe, die „das Stadtbild präge“, nicht klar benenne, „hat er es offen gelassen und dadurch natürlich diese Diskussion dann am Ende auch eröffnet und er hat Zustimmung dafür bekommen“. Ostermann zitiert interne Kritik: „Das war wirklich nicht klug, das war schlecht kommuniziert. Das hat irgendwie eine Flanke aufgemacht, die wir eigentlich jetzt gar nicht gebrauchen können.“ ### Gleichstand mit der AfD löse strategische Debatten über Brandmauer oder Annäherung aus Aktuelle Umfragen sehen Union und AfD bei 26 %. Ostermann beschreibt zwei Lager: die einen fordern „wir müssen weiter auf die Mitte zielen“, die anderen sagen, „der Merkelkurs ist gescheitert, wir sollten lieber irgendwie auch den Platz rechts der Mitte deutlicher besetzen“. Die Entscheidung falle fast täglich neu. ### Der Januar 2025 gezeigt: Kompromisslosigkeit kann zur Zusammenarbeit mit der AfD führen Nach Kindesangriffen in Bayern habe Merz gesagt: „Es reicht jetzt, die Zeit der Kompromisse ist vorbei.“ Der gemeinsame Entschließungsantrag mit der AfD habe „große Proteste ausgelöst, auch vor der CDU-Zentrale“. Intern werde heute gesagt: „Aus heutiger Sicht war es nicht klug.“ ### Aggressive Abgrenzung („Putin-Partei“) werde zunehmend als Gegenstrategie getestet Die CDU-Spitzen nutzen Begriffe wie „Putin-Partei“, um Wähler:innen zurückzugewinnen, die sich an Ausländerfeindlichkeit oder Russlandpolitik stören. Ostermann warnt: „Man sollte es nicht so auf die Spitze treiben, weil man gegen populistische Parteien verliert … Die Leute kommen zu der Entscheidung, ich nehme das Original.“ ## Einordnung Die Sendung arbeitet journalistisch hochwertig: Fakten werden kontextualisiert, interne Machtverhältnisse transparent gemacht und Expert:innen zugelassen. Besonders wertvoll ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob die CDU durch Rechtsverschiebung Wähler:innen von der AfD zurückholt oder sich damit selbst entzaubert. Kritisch bleibt, dass marginalisierte Perspektiven – Betroffene des Rassismus oder Geflüchtete – kaum vorkommen; die Debatte bleibt auf die Strategien einer weißen Politik-Elite fokussiert. Die Kernaussage, Populismus ziehe eher der AfD, ist plausibel argumentiert, bräuchte aber empirische Langzeitdaten zur Absicherung. Insgesamt liefert der Podcast eine klare Analyse eines gesellschaftlich brisanten Machtkampfs, ohne sich auf parteipolitische Positionierung einzulassen – ein gelungener Beitrag zur Demokratiebeobachtung.