Notes From The Circus: Liberalism Is Not Oligarchy
Eine kritische Analyse, wie oligarchische Interessen den Liberalismus neu definieren und warum die Verteidigung der Demokratie heute als radikal gilt.
Notes From The Circus
20 min readDer Autor des Newsletters „Notes From The Circus“ wehrt sich gegen den Vorwurf, ein Sozialist zu werden, und positioniert sich stattdessen als klassischer Liberaler und „Americanist“. Auslöser ist die Reaktion auf seinen früheren Text, in dem er eine höhere Besteuerung von extremem Reichtum, die Stärkung von Sozialprogrammen wie Social Security und Medicare sowie die Zerschlagung von Monopolen forderte. Er argumentiert, dass diese Positionen keine sozialistischen, sondern notwendige Maßnahmen zur Verteidigung des klassischen Liberalismus und der Marktwirtschaft gegen die Vereinnahmung durch eine Oligarchie seien. Der Autor behauptet, dass eine kleine, wohlhabende Elite die politischen Institutionen gekapert habe, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.
Diese Elite habe den öffentlichen Diskurs erfolgreich so verschoben, dass die Bedienung ihrer Interessen als „moderat“ gelte, während die Vertretung der Mehrheitsmeinung als „radikal“ diffamiert werde. Der Autor zitiert Umfragen von Pew und Gallup, die belegen sollen, dass seine Forderungen – wie höhere Steuern für Reiche und der Erhalt von Sozialprogrammen – breite Unterstützung in der US-Bevölkerung genießen. Die Politik ignoriere diesen Willen jedoch systematisch. Er formuliert seine zentrale These so: „Was passiert ist, ist, dass die politische Klasse ‚die Mitte‘ neu definiert hat, um ‚was reiche Spender:innen wollen‘ zu bedeuten, anstatt ‚was die meisten Amerikaner:innen wollen‘.“ Die Verteidigung des amerikanischen Projekts erfordere daher den Kampf gegen die Oligarchie, nicht gegen den Sozialismus, der in den USA kaum politischen Einfluss habe.
## Einordnung
Der Newsletter ist ein leidenschaftliches Plädoyer zur Neudefinition politischer Begriffe. Der Autor nutzt das Framing des „klassischen Liberalismus“, um wirtschaftspolitisch linke Forderungen wie Vermögenssteuern und Monopolkontrolle für ein zentristisches bis konservatives Publikum anschlussfähig zu machen. Seine Argumentation basiert auf der impliziten Annahme, dass das ursprüngliche amerikanische System der Gründerväter im Kern gerecht sei und lediglich von oligarchischen Interessen „gekapert“ wurde, anstatt systemische Ungerechtigkeiten von Beginn an zu beinhalten. Stimmen, die eine fundamentalere Kritik am Kapitalismus oder am amerikanischen Gründungsmythos üben, werden ausgeblendet; die Analyse bleibt innerhalb eines nationalen, pro-kapitalistischen Rahmens.
Die rhetorische Strategie zielt darauf ab, die Deutungshoheit über Begriffe wie „Mitte“, „Liberalismus“ und „Americanism“ zurückzugewinnen und die Agenda der Reichen als das eigentliche Extrem zu entlarven. Der Text ist lesenswert für alle, die sich für die ideologischen Kämpfe innerhalb des liberalen Spektrums in den USA interessieren und eine klare Argumentation gegen die Normalisierung von Elitenherrschaft suchen. Wer eine grundlegende Systemkritik erwartet, wird hier jedoch nicht fündig. Länge des Newsletters: 19150