Der Podcast „Bärn Einfach“ bezeichnet sich selbst als „grösster nicht-linke Podcast der Schweiz“. In der Folge „1,9 Millionen mehr Einwohner:innen hat die Schweiz als im Jahr 2000“ spricht Moderator Dominik Feusi mit Iwan Hächler, Gründer des NGO-Portals Facts4Future, über die Folgen des Bevölkerungswachstums in der Schweiz. Hächler präsentiert Zahlen zur Netto-Zuwanderung, Flächenverbrauch, Wohnungsbau, Strom- und Abfallaufkommen sowie zur Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung. Dabei betont er stets, nur Fakten zu liefern und keine normativen Bewertungen vorzunehmen. ### Die Schweiz wuchs seit 2000 um 1,9 Mio. Menschen – vor allem durch Zuwanderung Hächler rechnet vor, dass die Schweiz zwischen 2000 und 2024 netto um 1,9 Mio. Einwohner:innen zulegte – ein Zuwachs, der „viermal der Stadt Zürich“ entspreche. Dieses Wachstum sei „18-mal schneller“ als in Deutschland relativ gesehen und setze sich vor allem seit der vollständigen Personenfreizügigkeit mit der EU 2007 deutlich beschleunigt fort. ### Siedlungsfläche und Landwirtschaftsfläche schrumpfen pro Kopf deutlich Die Zersiedelung nahm in neun Jahren (2009-2018) um „zwei Zürichseen“ zu, wobei die Fläche pro Kopz zurückging, weil die Bevölkerung stärker wuchs als der Platzbedarf. Die landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf sei seit 2000 um ein Viertel gesunken; bei Fortsetzung dieser Entwicklung bliebe künftigen Generationen nur mehr die Hälfte. ### 80 % des zusätzlichen Wohnraums seit 2000 entstehen laut Berechnung durch Bevölkerungswachstum Obwohl 1,2 Mio. neue Wohnungen entstanden, reichten die Angebotszuwächse nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopz stagniere seit 2021; demnach seien gestiegene Ansprüche nur für rund ein Fünftel der Mehrnachfrage verantwortlich, vier Fünftel ließen sich direkt auf das Bevölkerungswachstum zurückführen. ### Strom- und Abfallmengen stagnieren dank Effizienz, während Verkehr deutlich zunimmt Der absolute Stromverbrauch blieb wegen Effizienzsteigerungen stabil, pro Kopz sank er um 12 %. Beim Siedlungsabfall stieg die Gesamtmenge um 28 %, pro Kopz aber nur leicht. Im Strassenverkehr registrierte das Astra seit 2000 eine Siebenfache der Staustunden; die Zahl der Personenwagen stieg um 35 %, wobei der Motorisierungsgrad seit 2016 stagniere – ein Indiz, dass vor allem Bevölkerungswachstum für die Verkehrsbelastung sorge. ### Wirtschaft wächst deutlich langsamer pro Kopz als in absoluten Zahlen Seit 2007 stieg das Bruttoinlandprodukt jährlich um 1,7 %, der Wohlstand pro Kopz aber nur um 0,7 %. In der Periode vor 2007 betrugen die entsprechenden Raten noch 1,7 % bzw. 1,1 %. Die Schere zwischen absolutem und per-kopf-Wachstum klaffe seit Einführung der Personenfreizügigkeit deutlich auf. ### Jobs entstehen vor allem in Gesundheits- und Erziehungssektor sowie Verwaltung Die Zahl der Vollzeitstellen nahm seit 2000 um ein Drittel zu; allein Gesundheitswesen und Erziehung erklären laut Hächler rund ein Viertel dieses Stellenwachstums. Die Schweiz schaffe jährlich 46 000 neue Vollzeitjobs – deutlich mehr als vor 2007, obwohl das Wachstum pro Kopz nachlasse. ## Einordnung Die Sendung liefert eine Fülle von offiziellen Statistiken, präsentiert sie aber fast ausschliesslich durch die Linse des Bevölkerungswachstums. Dabei bleiben wichtige Fragen offen: Welche Wirtschafts- und Steuerpolitik begünstigte den starken Beschäftigungsanstieg? Welche Rolle spielten steigende Profitmargen oder Preis- und Lohnentwicklungen beim pro-Kopf-Wohlstand? Kritische Stimmen – etwa zu Nachhaltigkeit, Integration oder zu den positiven Effekten von Zuwanderung – fehlen vollständig. Stattdessen wird die Personenfreizügigkeit als Hauptbremser für Wohlstand pro Kopf inszeniert, ohne dass unterschiedliche Szenarien oder Gegenrechnungen diskutiert werden. Die argumentative Strategie folgt einem klassischen Framing: Anhand sorgfältig ausgewählter Daten wird eine lineare Kette „Mehr Menschen = weniger Fläche, mehr Stau, weniger Wachstum pro Kopf“ suggeriert. Dass sinkende pro-Kopf-Flächen auch auf Effizienz oder veränderte Lebensstile zurückzuführen sein könnten, wird nicht erwogen. Gleichzeitig wird mit dem Begriff „kontrollieren“ eine technokratische Lösung impliziert, ohne rechtliche oder ethische Konsequenzen zu benennen. Die Sendung beansprucht, „nur Fakten“ zu liefern, betreibt damit aber eine selektive Deskription, die politische Schlüsse kaum verhüllt. Das mag für ein Unterhaltungsformat legitim sein; wer fundierte politische Analyse erwartet, wird enttäuscht. Wer eine einseitige, aber datenreiche Argumentation gegen freie Zirkulation von Menschen sucht, erhält sie hier aufbereitet. Hörwarnung: Gute Daten, aber einseitig gerahmt und ohne Gegenperspektiven – eher geeignet, als Belegmaterial für vorgefasste Meinungen zu dienen.