Kontext: Holger Klein befragt Felix Zimmermann (Chefredakteur Legal Tribune Online) über das Bundesverwaltungsgerichtsurteil, das künftig Rundfunkbeitragsverweigerer:innen vor Verwaltungsgerichten erlaubt, „mangelnde Meinungsvielfalt“ der Öffentlich-Rechtlichen geltend zu machen. Das Gespräch erscheint im Übermedien-Podcast „Holger ruft an“. Hauptthema: Ob und wie Gerichte künftig die inhaltliche Ausgewogenheit von ARD, ZDF und Deutschlandradio überprüfen müssen – und was das für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet. ### Klagebefugnis als Erfolg für Kritiker:innen Bisher wiesen Verwaltungsgerichte Klagen gegen den Rundfunkbeitrag mit dem Verweis auf die Rundfunkräte ab. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt nun erstmals, dass extreme Einseitigkeit die Beitragspflicht verfassungsrechtlich entfallen lassen könne. Das Gericht verlange aber „zwei Jahre erhebliche Ungleichgewichte“ im Gesamtangebot. ### Vielfaltsmessung wird zur Juristenaufgabe Die richterliche Überprüfung soll sich auf mehrere Dimensionen (Themen, Inhalte, Gruppen, Sparten, Genres) erstrecken. Experten:innen halten den Aufwand für praktisch undenkbar, weil Programme auf Jahre analysiert werden müssten. Die Prozesskosten dürften die Kläger:innen abschrecken. ### Beweislast liegt bei der Klägerseite Obwohl im Verwaltungsrecht grundsätzlich Aufklärungspflicht herrscht, fordert das Gericht, dass Klagende konkrete Hinweise auf systematische Ausgewogenheitsdefizite liefern. In der Folge droht eine Klagewelle, da Verwaltungsgerichte Gutachten in Auftrag geben müssten. ### Öffentlich-Rechtliche gewinnen wahrscheinlich – und das weiß auch die Rechte Zimmermann erwartet, dass die Sender fast alle Verfahren gewinnen, weil sie Vielfalt empirisch belegen können. Die Klager:innen stünden zumeist mit rechter oder verschwörerischer Agenda vor Gericht. Ein Urteil, das die Meinungsvielfalt bestätigt, könne der Öffentlich-Rechtlichen langfristig stärken. ### Risiko politischer Instrumentalisierung Die Expertise zeigt, wie leicht rechtspopulistische Kräfte das Gerichtsurteil nutzen könnten, um die Legitimität des Systems insgesamt zu schwächen. Das Gericht habe der Politik die heiße Kartoffel zugespielt, ohne klare Maßstäbe zu setzen. ## Einordnung Die Sendung liefert eine präzise juristische Auseinandersetzung mit einem hochsensiblen Urteil, das die Debatte um den Rundfunkbeitrag neu entflammt. Die Moderation bleibt sachlich, hakt nach und entlarvt die praktischen Schwierigkeiten einer gerichtlichen Vielfaltskontrolle. Besonders wertvoll: Die Expertise schönt nicht, dass viele Klagen aus dem rechten Spektrum kommen, macht aber zugleich klar, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich durch belegbare Vielfalt vor Gericht erfolgreich wehren können. Der Podcast zeigt, wie stark sich die Behauptung „die Öffentlich-Rechtlichen seien Staatsfunk“ in bestimmten Milieus bereits festgesetzt hat – und dass das Gericht diese Debatte nun mit juristischem Nachdruck führt, ohne selbst inhaltlich zu werten. Die Folge ist ein starkes Stück Medienkritik: nüchtern, differenziert und ohne erhobenen Zeigefinger.