Le masque et la plume: "Dangerous Animals", "Pooja, Sir", "BADH", "Sorry, Baby", "Eddington"… Qu’aller voir au cinéma cette semaine ?
Kritiker:innen debattieren leidenschaftlich über fünf aktuelle Filme – von feministischen Hai-Thrillern bis zur Trump-Satire.
Le masque et la plume
58 min read3094 min audioIn der aktuellen Ausgabe von "Le Masque et la Plume" debattieren die Kritiker:innen Ariane Allard (Positif), Charlotte Garson (Cahiers du cinéma), Nicolas Schaller (L'Obs) und Xavier Leherpeur (7e Obsession) live vor Publikum über fünf sehr unterschiedliche Filme. Hauptthema ist die Frage, wie sehr Genre-Kino, Independent-Filme und Autorenanspruch sich vertragen – und wo bloße Effekthascherei beginnt.
### 1. Dangerous Animals – Requiem für die Scream-Queen
Der australische Thriller "Dangerous Animals" mit seinem Serienkiller, der Surfer:innen an Haie verfüttert, wirke zwar oberflächlich wie eine feministische Neuerfindung des Shark-Horrors. Die Expert:innen seien sich jedoch einig, dass der Film letztlich nur Klischees tausche: "Die blonde Surferin sei zwar zur "badass"-Heldin mutiert, bleibe aber sexy, lebendig und letztlich eine Art Barbie mit Hai" (Ariane Allard). Die angebliche Botschaft "die gefährlichen Tiere seien die Männer" empfinde man als plump.
### 2. Sorry Baby – Trauma ohne Pathos
Das US-amerikanische Independent-Drama "Sorry Baby" der Regisseurin und Komikerin Eva Victor erzähle in fünf Kapiteln von einer Doktorandin, die von ihrem Betreuer vergewaltigt wird. Besonders sei die indirekte Erzählweise: "Man bleibe vor der Hausfassade stehen, während drinnen die Gewalt geschieht – nur das abnehmende Tageslicht verrate die Dauer der Tat" (Charlotte Garson). Die Kritiker:innen loben die feinfühlige Mischung aus Humor und Trauer, wobei Xavier Leherpeur bemängelt, der Film symbolisiere zu sehr und erreiche ihn emotional kaum.
### 3. BADH – Französischer Agenten-Thriller als halbgares Bourne-Rezept
"BADH" von Guillaume de Fontenay präsentiere Marine Vacth als Killerin der geheimen französischen "Alpha-Zelle", die in Syrien einen Waffenhändler jagen soll. Die Expert:innen orten einen ambitionierten, aber misslungenen Versuch, französischen Autorenfilm mit Hollywood-Action zu kreuzen. "Die Explosion wirkt wie ein Knallfrosch, die Dialoge wie per SMS verschickt" (Nicolas Schaller). Besonders störe, dass der politische Hintergrund – Frankreichs gezielte Tötungen syrischer Dschihadisten – kaum ausgearbeitet sei.
### 4. Pouja Sœur – Nepalesischer Frauen-Polar zwischen Zensur und Sozialkritik
Deepak Rauniyars "Pouja Sœur" nutze ein klassisches Polarkrimi-Setup, um Nepals gesellschaftliche Konflikte zu durchleuchten: Rassismus gegen die Madhesi-Minderheit, strukturelle Frauenfeindlichkeit und die Homosexualität der Ermittlerin. Die Expert:innen loben die "epische Weite des Cinemascope-Bildes", kritisieren jedoch, der Film bleibe zu oft in didaktischem Exkursionsmodus stecken. Besonders Ariane Allard moniert, die lesbische Identität der Protagonistin diene lediglich als "narrative Funktion", um sie als Außenseiterin zu markieren, werde aber nicht weiter ausgeführt.
### 5. Eddington – Ari Asters Hass-Satire über Trump-Amerika
Ari Asters Western-Satire "Eddington" inszeniere während der ersten Covid-Welle einen Machtkampf zwischen einem asthmatischen Sheriff (Joaquin Phoenix) und einem hispanischen Bürgermeister (Pedro Pascal). Die Kritiker:innen zerstritten sich erbittert: Während Charlotte Garson in dem "Spiel des Massenmords" eine tiefe Verzweiflung über den Zustand der US-Demokratie erkenne, wirft ihr Nicolas Schaller vor, Aster bediene rechte Verschwörungserzählungen: "Der einzige ohne Maske ist der Held, der Bürgermeister steht für links-autoritäre Corona-Politik".
## Einordnung
Die Sendung demonstriert eindrucksvoll, wie lebendig und streitbar Kritik sein kann, wenn sie nicht nur Filme, sondern auch die eigene Wahrnehmung reflektiert. Die Expert:innen ringen um angemessene Maßstäbe: Soll man Genre-Kino für seine Oberflächlichkeit kritisieren oder darf man sich an der Inszenierung erfreuen? Wann wird politisches Kino zur Lehrveranstaltung? Besonders interessant ist die Polarisierung bei "Eddington": Während einige die Satire als notwendige Abrechnung mit Trump-Amerika feiern, erkennen andere gefährliche Nähe zu rechten Verschwörungsmythen. Die Diskussion bleibt dabei stets sachlich – auch wenn die Fronten hart sind. Die Expert:innen neigen zwar gelegentlich zur Überschätzung europäischer Autorenfilme, doch ihre Offenheit für globale Perspektiven (Nepal, Australien, USA) und ihre Bereitschaft, auch populäre Formate ernst zu nehmen, machen die Sendung zu einer der lebendigsten Kino-Diskussionen im europäischen Rundfunk.