The History Podcast: The Magnificent O'Connors: 4. The Rise and Fall of Jimmy O'Connor
BBC-Dokuserie über den Kampf gegen ein historisches Justiz-Urteil und den Preis, den die Familie zahlte.
The History Podcast
31 min read1684 min audioDer vierte Teil der BBC-Serie „The Magnificent O’Connors“ („Aufstieg und Fall von Jimmy O’Connor“) verfolgt die Familiensuche nach den vollständigen Gerichtsprotokollen des Mordprozesses von Jimmy O’Connor aus dem Jahr 1942 – sie gelingt erst jetzt, Jahrzehnte später. Milo O’Connor entdeckt die ungeöffneten Akten in den National Archives und liefert sie an seine Mutter Nemone, die wegen ihrer Heirat mit einem verurteilten Mörder 1959 als Rechtsanwältin ausgeschlossen wurde. Die Episode rekonstruiert Jimmys Karriere als BBC-Dramatiker („Wednesday Play“), seine heimliche Botschaft an einen damaligen Zeugen, der 1967 unter Druck der Polizei ausgesagt haben könnte, sowie den gescheiterten Wiederaufnahmeantrag 1969. Parallel schildert sie den wirtschaftlichen Abstieg der Familie, die Scheidung 1973 und Nemones späte Rückkehr in den Beruf 1981.
### 1. Fund der Prozess-Akten
Nach jahrelanger Suche findet Milo O’Connor die vollständige Gerichtsaufzeichnung des 1942er Prozesses. Nemone bezeichnet Jimmys Verteidiger als „complete twat“ und sieht erste Hinweise auf mangelhafte Verteidigung („The barristers were disappointing“).
### 2. Karriere als „angry young man“
Jimmy profitiert von der 1960er BBC-Strömung sozialkritischer Einzelstücke. Regisseur Ken Loach lobt dessen „energy and comedy and zest for life“. Das 1965 ausgestrahlte Stück „Three Clear Sundays“ zeigt die Vorbereitung einer Hinrichtung und beeinflusst laut Loach die Todesstraf-Debatte („significant contribution to the whole capital punishment debate“).
### 3. Versteckte Botschaft an den Kronzeugen
Jimmy lässt in eben jenem Drama den Sohn des damaligen Zeugen George Sewell Sr. die Rolle des Lügners übernehmen. Zwischen den Zeilen deute man eine Drohung („everything that had happened back in the 1940s wasn’t over yet“).
### 4. Zeuge will 1967 geständig werden
Der alte Kronzeuge Sewel erklärt 1967 gegenüber dem Anwalt David Napley, er sei „forced under threats by the police to implicate O’Connor“. Nachdem Jimmy keine 1000 Pfund zahlt, widerruft Sewell die Aussage wieder.
### 5. Letztlich abgelehnter Wiederaufnahmeantrag
Das britische Innenministerium räumt 1969 „troubling elements“ ein, lehnt aber eine Revision ab („wasn’t sufficient grounds to justify taking the exceptional course“). Nemone resümiert: „There’s no desire for justice.“
### 6. Persönlicher Niedergang und Scheidung
Ohne weitere TV-Aufträge verdient Jimmy kaum Geld, trinkt mehr („he’d be half pissed“) und bezeichnet seine geschiedene Frau 1973 vor Freunden als „call fucker“. Die Familie entkommt nur knapp dem Pfändungsbailiff („We nearly lost the house“).
## Einordnung
Die journalistische Qualität des BBC-Formats ist hoch: klare Recherche, transparente Quellenlage, stimmige Dramaturgie. Der Sprecher Ragnar O’Connor kombiniert persönliches Erinnern mit klassischem Storytelling und lässt alle relevanten Akteure zu Wort kommen – von Ken Loach bis zur heutigen Rechtsanwältin Louise Shorter. Dabei gelingt ihm eine selbstkritische Balance zwischen emotionaler Nähe und analytischer Distanz. Die Episode thematisiert Machtstrukturen (Polizei, Justiz, Literaturbetrieb) und zeigt, wie leicht Arme und Working-Class-Stimmen marginalisiert werden können. Kritisch bleibt, dass der eigentliche Mordfall Don Camridge – warum Jimmy jemals verdächtigt wurde – weiterhin fragmentarisch bleibt; die Hörer:innen erhalten kaum Fakten zum Tatort oder Indizien. Dennoch fesselt die Folge durch ihren offenen Umgang mit Scheitern, finanzieller Unsicherheit und institutionalisiertem Misstrauen. Die Geschichte ist keine Selbstdarstellung, sondern ein Plädoyer für justizielle Fehlerkorrektur und gegen soziale Stigmata.
Hörempfehlung: Wer geschichtsreiche True-Crime-Storys mit gesellschaftlicher Tiefe mag und bereit ist, sich auf eine noch unvollständige Aufarbeitung einzulassen, findet hier spannenden BBC-Journalismus mit persönlichem Schmerz und kulturellem Kontext.