Der Tag: Kabinett beschließt Wehrdienstgesetz - Wehrpflicht durch die Hintertür?
Der Tag analysiert die neuen Wehrdienstpläne und die geplante Umverteilung von Klimaschutzmitteln für CO2-Strafzahlungen.
Der Tag
43 min read2064 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast "Der Tag" vom 27. August 2025 beleuchtet zwei zentrale Themen: das neue Wehrdienstgesetz der Bundesregierung und die geplante Umverteilung von Klimaschutzmitteln. Moderatorin Barbara Schmidt-Mattern diskutiert mit Sicherheitsexperte Markus Pindur über die freiwillige Rückkehr zum Wehrdienst und mit Klimaexpertin An Katrin Büsker über die Finanzierung möglicher CO2-Strafzahlungen aus dem Klima- und Transformationsfonds.
### 1. Wehrdienst bleibt vorerst freiwillig, aber mit verpflichtender Musterung
Obwohl das neue Gesetz keine Wehrpflicht vorsieht, sollen ab 2027 alle jungen Männer zur Musterung antreten müssen. Pindur betont: "Die Möglichkeit der Verweigerung wird es nach wie vor geben", allerdings zeigt sich bereits, dass die Union eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht anstrebt, falls die freiwilligen Zahlen nicht ausreichen.
### 2. Bundeswehr kämpft mit massiven Personalproblemen
Trotz steigender Bewerberzahlen stagniert die Gesamtzahl der Soldat:innen seit Jahren bei 180.000. Pindur kritisiert: "Es sind so viele Leute ausgeschieden in den letzten Jahren, dass wir einfach nicht über die Zahl von 180.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten hinausgekommen sind." Die angestrebte Zielmarke von 260.000 Soldat:innen erscheint angesichts fehlender Infrastruktur und Ausbildungskapazitäten unrealistisch.
### 3. Deutschland drohen Milliardenstrafen wegen verfehlter Klimaziele
Die Expert:innen prognostizieren, dass Deutschland bis 2030 etwa 220 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate nachkaufen muss. Dies könnte bis zu 20 Milliarden Euro kosten, wie Brigitte Knopf vom Expertenrat für Klimafragen errechnet hat.
### 4. Klimaschutzmittel sollen für Strafzahlungen verwendet werden
Das Finanzministerium plant, diese Strafzahlungen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu finanzieren. Dieser Topf sollte eigentlich für Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden. Büsker kritisiert: "Ein Topf, der eigentlich für Klimaschutz da ist, würde dann dafür benutzt werden, um Strafzahlungen zu leisten, wenn man zu wenig Klimaschutz erreicht hat."
### 5. Regierungsparteien kritisieren eigene Klimapolitik
Auffällig: Selbst Klimapolitiker der Regierungsparteien wie Andreas Jung (CDU) und Nina Scher (SPD) lehnen diese Umverteilung ab. Jung fordert: "Es kann nicht sein, dass Kosten, die dadurch entstehen, dass wir unsere Hausaufgaben beim Klimaschutz nicht gemacht haben, dann zu Lasten des Klimaschutzes gehen."
## Einordnung
Die Sendung zeigt das Dilemma einer Regierung, die sich zwischen Sicherheitspolitik und Klimaschutz verzettelt. Während beim Wehrdienst die Illusion einer freiwilligen Lösung aufrechterhalten wird, zeichnet sich bereits ab, dass eine Rückkehr zur Wehrpflicht droht - ohne dass die gesellschaftliche Debatte ernsthaft geführt wird. Besonders problematisch ist die Behandlung junger Menschen als rekrutierbares Potenzial, ohne sie als politische Akteur:innen ernst zu nehmen. Die Klimapolitik wiederum offenbart eine kurzfristige Haushaltslogik, die langfristige Ziele opfert. Die geplante Zweckentfremdung des KTF ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch kontraproduktiv: Je weniger in Klimaschutz investiert wird, desto höher fallen die Strafzahlungen aus. Die Sendung bleibt dabei journalistisch professionell, lässt aber kritische Fragen offen - etwa warum die Alternativen zur Aufrüstung oder zur Umverteilung von Klimageld nicht diskutiert werden.
Hörempfehlung: Wer sich für die aktuellen politischen Kompromisse zwischen Sicherheit und Klimaschutz informieren will, erhält hier eine fundierte, wenn auch nicht vollständige Analyse der Regierungspolitik.