Der France-Culture-Podcast „L’Esprit public“ (Folge „De Badinter à Darmanin : la République en panne“) analysiert mit vier Gästen – der Historikerin Michèle Cotta, der Essayistin Blanche Leridon, dem Journalisten Louis Hausalter und dem Politikwissenschaftler Marc Lazar – die innenpolitische Krise in Frankreich nach der binnen vier Tagen wieder aufgehobenen Rücktrittserklärung von Premierminister Sébastien Lecornu. Im Zentrum steht die Frage, warum die Fünfte Republik seit 2022 fünf Premierminister hervorbrachte und ob das System noch handlungsfähig ist. ### 1. Macron habe sich selbst den Weg in die institutionelle Sackgasse geebnet Louis Hausalter konstatiert, Emmanuel Macron habe durch die Auflösung der Nationalversammlung 2024 seine eigene Macht schon früher beschädigt: „Il a accéléré lui-même sa propre fin de règne.“ ### 2. Die Parteien nutzten die relative Mehrheit nicht für parlamentarische Kompromisse Marc Lazar kritisiert, statt Koalitionen zu bilden, hätten fast alle Kräfte „la démonstration qu’on pouvait pratiquer une démocratie parlementaire“ verpasst. ### 3. Die politische Kurzatmigkeit konterkariere die Präsidenten-Rhetorik der „langen Zeit“ Blanche Leridon hebt den Kontrast zwischen Macrons ausufernder Pantheon-Zeremonie für Robert Badinter und seiner 14-Stunden-Regierungsumbildung hervor: „Il y a un hiatus immense entre … le temps long des grands hommes“ und dem „temps très court“ der Kabinettsrochaden. ### 4. Populistische Akteure profitieren von der Ablehnung neuer Wahlen Leridon und Lazar zeigen, dass Marine Le Pen mit dem Vorwurf „ils ont peur du retour aux urnes“ Stimmen gewinne, während die etablierten Parteien jede Neuwahl blockierten. ### 5. Die Debatte um Badinter spiegelt den Wandel der republikanischen Werte Die Gäste diskutieren, dass Gérald Darmanins Rückkehr zu Hochsicherheitszellen in Gefängnissen und die heutige 50:50-Meinung zur Todesstrafe Robert Badinters Erbe in Frage stellen. ### 6. Soziale Medien beschleunigen Polarisierung und Entscheidungsunfähigkeit Alle sind sich einig, dass Demokratie durch algorithmisch verstärkte Empörung und die Monetarisierung von Aufmerksamkeit ersetzt werde; Macrons angekündigtes Verbot für unter 15-Jährige sei symptomatisch, aber wirkungslos. ## Einordnung Die Sendung liefert keine neue Fakten, sondern ein intellektuelles Krisengespräch zwischen Insidern. Die Gesprächsführung bleibt ausgeglichen, alle relevanten politischen Lager (außer dem Rassemblement National selbst) kommen vor. Interessant ist die Selbstkritik der Gäste: Sie machen nicht nur Macron, sondern auch die Parteien für die Blockade verantwortlich und thematisieren, dass traditionelle Anti-Populismus-Strategien (Front républicain) an Wirksamkeit verlieren. Die Diskussion über soziale Medien bleibt oberflächlich; konkrete Regulierungsvorschläge fehlen. Insgesamt ein professionelles, aber deskriptives Format ohne investigative Recherche – geeignet, die Lage zu durchdringen, nicht jedoch zu verändern.