Echo der Zeit: International: Weshalb Panamas Bananenarbeiter streiken
SRF-Reportage über den Streik panamaischer Bananenarbeiter gegen Rentenreformen und die fatalen Folgen.
Echo der Zeit
31 min read1645 min audioDer SRF-Podcast "Echo der Zeit" begleitet in einer 30-minütigen Reportage den Streik der Bananenarbeiter:innen auf Panamas größter Plantage in Bocas del Toro. Sprecherin Karin Wenger reist Anfang Juni 2025 in die Region und führt Gespräche mit Streikenden wie Emilio und Genaro Montezuma, Gewerkschaftsführer Francisco Smith, Gouverneurin Marcela Madrid sowie dem ehemaligen Chiquita-Manager Luis Alberto Nuñez. Das Hauptthema ist der Widerstand gegen das Rentenreformgesetz 462, das die ohnehin prekären Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern würde.
### 1. Der Streik richtet sich nicht gegen Chiquita, sondern gegen die Regierung
Emilio, ein 25-jähriger Streikposten, betont: "No, no es una lucha contra Chiquita" - es sei kein Kampf gegen Chiquita, sondern gegen Präsident Mulino und sein Gesetz 462. Die Arbeiter:innen nutzen die wirtschaftliche Bedeutung des Bananenmultis bewusst als Druckmittel.
### 2. Die historische Abhängigkeit von Chiquita ist extrem
Luis Alberto Nuñez beschreibt, wie die United Fruit Company (heute Chiquita) seit 1903 die komplette Infrastruktur der Region aufbaute: "Deswegen nannte man die Firma hier Mamita, weil sie wie unsere Mutter war." Heute seien 75% der Wirtschaft von Chiquita abhängig.
### 3. Die Arbeitsbedingungen sind gesundheitlich katastrophal
Genaro Montezuma zeigt seine verätzte Haut und sagt: "Schau dir meine Haut an, ich werde sterben, bevor ich das Rentenalter erreiche." Ärztin Tania Gonzales bestätigt chronische Wirbelsäulenverletzungen und Hautkrankheiten durch Chemikalien.
### 4. Der Streik endet mit Pyrrhussieg
Obwohl die Regierung das umstrittene Gesetz 462 zurückzieht, lässt sie kurz darauf Gewerkschaftsführer Francisco Smith verhaften. Chiquita kündigt alle 5000 Arbeiter:innen und verlässt Panama - die Arbeiter:innen haben "gewonnen", sind aber dennoch die Verlierer.
### 5. Chiquitas Strategie: Abzug und möglicher Neustart als reiner Abnehmer
Nuñez erklärt: "Eine mögliche Lösung wäre, dass die Firma die Plantagen nicht mehr selbst betreibt, sondern nur noch als Großabnehmerin auftritt." Dies würde für die Arbeiter:innen noch schlechtere Bedingungen bedeuten.
## Einordnung
Die Reportage demonstriert eindrucksvoll journalistische Professionalität: Karin Wenger lässt alle relevanten Akteure zu Wort kommen - von streikenden Arbeiter:innen über die regierungstreue Gouverneurin bis zum ehemaligen Chiquita-Manager. Besonders bemerkenswert ist die historische Kontextualisierung, die die aktuellen Machtverhältnisse bis in die Kolonialzeit zurückverfolgt. Die Geschichte wird nicht als einfacher Konflikt zwischen Gut und Böse erzählt, sondern als komplexes Geflecht aus historischer Abhängigkeit, wirtschaftlichem Druck und politischem Kalkül. Die Reportage zeigt, wie strukturelle Gewalt funktioniert: Die Arbeiter:innen haben formal Rechte, aber in der Realität sind sie der Willkür eines multinationalen Konzerns und einer korrumpierten Regierung ausgeliefert. Die journalistische Leistung liegt darin, diese Machtasymmetrien nicht mit erhobenem Zeigefinger zu präsentieren, sondern durch sorgfältig gesetzte Stimmen und Beobachtungen selbst erkennbar zu machen.
Hörempfehlung: Eine meisterhaft recherchierte Reportage, die die globale Ungleichheit im Bananenhandel anschaulich vor Ort erlebbar macht - hörenswert für alle, die verstehen wollen, wie globale Märkte lokale Realitäten prägen.