Die FALTER-Arena-Diskussion vom 8. Oktober 2025 thematisiert, wie der Gazakrieg den gesellschaftlichen Diskurs in Österreich spaltet. Sashi Turkof (Jüdische Hochschüler:innen) beschreibt ein post-7.-Oktober-Trauma: jüdisches Leben brauche Hochsicherheitsmaßnahmen, Anschläge hätten zugenommen. Muna Duzdar (SPÖ) kritisiert die österreichische Außenpolitik seit 2017: Dialog sei durch bedingungslose Pro-Israel-Nähe ersetzt, Sanktionen gegen rechte israelische Minister blockiert. Tim Cupal (ORF) erklärt, Trumps Friedensplan biete neue arabische Allianzen und damit „die größte Hoffnung seit zwei Jahren“, während Netanyahu innenpolitisch auf Befreiung der Geiseln setze. Alle sind sich einig, dass Boykotte israelischer Kulturschaffender (Song Contest) kontraproduktiv seien und differenzierte Stimmen aus Israel kaum Platz im österreichischen Mediendiskurs fänden. ### Antisemitismus erreichte 2024 mit 1.520 Fällen Rekordstand, Muslim:innen stellten erstmals die größte Tätergruppe. Laut Turkof sei der 7. Oktober ein doppelter Bruch: Israel als „sicherer Hafen“ und die Diaspora als Lebensraum seien gleichzeitig gefährdet. „Dieses Gefühl, okay, wenn irgendetwas passiert bei uns, können wir dorthin, das ist das erste Mal wirklich so eigentlich sehr stark in Frage gestellt worden." ### Österreichs Außenpolitik habe sich 2017 radikal gewandelt: von Vermittler zur bedingungslos pro-israelischen Haltung. Duzdar führt dies auf die Kurz-Ära zurück: „Der Versuch dieser Regierung damals war, sich auch aufgrund der Vergangenheit etwas reinzuwaschen … weil immerhin hatte man einen Koalitionspartner wie die FPÖ an Bord." Die Nicht-Unterstützung humanitärer Waffenstillstände in der UNO habe Ansehen in der arabischen Welt gekostet. ### Trumps Friedensplan erstmals mit breiter arabischer Unterstützung – Katar, Ägypten, Türkei – wodurch Druck auf Hamas steige. Cupal betont: „Trump hat eine breite Allianz arabischer Staaten hinter diesen Plan gesetzt … damit ist der Druck auf die Hamas massiv angestiegen." Die Verhandlungen seien zwar fragil, bieten aber „noch nie da gewesene“ Bewegung. ### Netanyahu nutze den Plan innenpolitisch, um als „Befreier der Geiseln“ in die Wahlen zu gehen. Cupal: „Er wollte an der Macht bleiben und als Feldherr in die Wahl gehen … jetzt wird er versuchen, den Narrativ zu verändern." Trump habe ihm eine „Hintertür“ gelassen, falls die Waffenruhe scheitere. ### Boykotte israelischer Künstler:innen wie Lahav Shani oder Song-Contest-Ausschluss würden laut Turkof nur dichotomes Denken verstärken. „Es füttert wieder dieses dichotome Weltbild … Kunst und Kultur sind traditionell die kritischsten Stimmen gegenüber der eigenen Regierung." Stattdessen würden jüdische Studierende in Wien wegen antisemitischer Rufe universitätsfreie Zonen erleben. ## Einordnung Das Format bietet journalistische Professionalität: klare Trennung von Moderation, Zeitnachweise, differenzierte Gäste. Die Diskussionskultur bleibt trotz emotionaler Themen respektvoll. Auffällig ist das Spannungsfeld zwischen individueller Betroffenheit (Turkof) und geopolitischer Analyse (Duzdar/Cupal). Die Redaktion gelingt es, sowohl palästinensische Leidensperspektiven als auch Sicherheitsbedürfnisse jüdischer Menschen sichtbar zu machen. Kritisch: Die These vom „muslimisch geprägten“ Antisemitismus wird ohne empirische Differenzierung übernommen; die Frage, wie Kolonial- oder Apartheidstrukturen mitwirken, bleibt unerwähnt. Die Fokussierung auf westliche Diplomatie und Trump als Retter verengt den Blick auf globale Machtasymmetrien. Dennoch liefert die Sendung Material für ein multiperspektivisches Verständnis und spiegelt den österreichischen Diskursstand wider – mit Lücken, aber ohne rechte Ideologie.