Der Tag: 100 Tage schwarz-rote Regierung - Große Worte, dünne Bilanz?
Der Tag bilanziert 100 Tage Schwarz-Rot und erklärt, warum das Trump-Putin-Treffen in Alaska ein Symbol-Sieg für Moskau ist.
Der Tag
41 min read2145 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast "Der Tag" blickt nach 100 Tagen Schwarz-Rot unter Kanzler Friedrich Merz zurück. Hauptsprecher:innen sind die Moderatorin Josefine Schulz sowie der Hauptstadtkorrespondent Jörg Münchenberg; zusätzlich kommen Statements von Unionsfraktionschef Jens Spahn, CSU-Chef Markus Söder und Wirtschaftsministerin Katharina Reiche vor.
### 1. Umfrage-Talfahrt trotz Gesetzesflut
Die Koalition liege in Umfragen deutlich abgeschlagen, wobei die AfD laut Münchenberg teilweise die Union überholt habe. Die Regierung erkläre das mit schlechter Kommunikation: "wir haben eigentlich schon viel gewuppt", gebe es zu hören, "aber die interne Kommunikation sei eben nicht zum Besten".
### 2. Schuldenwende und Steuerpakete
Merz habe sich von der früheren Schuldenbremse-Haltung verabschiedet und ein 500-Milliarden-Sondervermögen sowie Unternehmensteuersenkungen auf den Weg gebracht. Kritiker:innen wie Katharina Reiche sprechen von "Geschenke für Reiche", während Münchenberg einräumt, dass viele Ökonomen die bisherige Bilanz nur mit "4 Plus" bewerteten.
### 3. Sozialpolitik als Streitpunkt
Die Ausweitung der Mütterrente und die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 % seien zwar umgesetzt, doch der Reformdruck in Pflege und Rente bleibe bestehen. Münchenberg vermutet, dass die "wirklich harten Einschnitte" erst ab 2027 kommen würden, wenn ein Finanzierungsloch von über 170 Milliarden Euro drohe.
### 4. Energiekurswechsel unter Reiche
Die neue Wirtschaftsministerin Katharina Reiche stelle Förderungen für private Solaranlagen infrage, setze auf Gaskraftwerke und lasse die Gasumlage fallen. Klimaorganisationen werfen ihr vor, „ganz unverblümt Lobby Politik“ zu machen; Münchenberg hält das für „ein bisschen zu grob gestützt“, räumt aber ein, dass sie „für eine andere Energiepolitik steht als ihr Vorgänger“.
### 5. Trump-Putin-Treffen in Alaska
Am Freitag wollen sich Donald Trump und Wladimir Putin in Alaska treffen – ohne Ukraine und ohne EU. US-Korrespondentin Doris Simon erklärt, der Ort sei für Putin ein „Imagegewinn“: „Er ist der schurkische Anführer eines Paria-Staates und wird nun in den Vereinigten Staaten willkommen geheißen.“ Trump selbst hatte versehentlich von einem Treffen „in Russland“ gesprochen.
## Einordnung
Die Sendung versteht sich als journalistische Tagesanalyse und arbeitet professionell mit externen Korrespondenten und Expert:innen. Die Moderation bleibt sachlich, lässt aber bewusst widersprüchliche Einschätzungen nebeneinander stehen, ohne sie weiter zu hinterfragen. Auffällig ist, wie stark die Kommunikationsprobleme der Koalition thematisiert werden – ein Frame, der die inhaltlichen Brüche und die Wähler:innen-Enttäuschung eher beschönigt. Bei der Alaska-Geschichte dominiert eine US-zentrierte Perspektive; europäische Sicherheitsinteressen und die ukrainische Position werden zwar erwähnt, bleiben aber randständig. Insgesamt liefert der Podcast einen soliden Überblick, verzichtet jedoch auf tiefergehende kritische Nachfragen zu den langfristigen Folgen der beschlossenen Politik.
Hörempfehlung: Wer in 30 Minuten eine gut recherchierte, wenn auch oberflächliche Bestandsaufnahme der jungen Schwarz-Rot-Regierung und der geopolitischen Trump-Putin-Dynamik sucht, ist hier richtig.