DW AfricaLink: Cameroon elections: Can anyone unseat President Paul Biya?

Analyse der politischen Lage in Kamerun vor den Wahlen, beleuchtet Biyas Herrschaft, die fragmentierte Opposition und die Stimmung der Bevölkerung.

DW AfricaLink
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DW AfricaLink diskutiert die bevorstehende Wiederwahl von Kameruns Präsident Paul Biya, dem ältesten amtierenden Staatschef der Welt, und die damit verbundenen politischen Dynamiken. Die Moderatorin Josey Mahachi spricht mit dem politischen Analysten Anchang Paul und dem DW-Korrespondenten Moki Kindzeka über die Stimmung im Land und die Aussichten auf einen politischen Wandel. ### 1. Desillusionierung der Jugend und Unterstützung der Eliten Junge Kameruner:innen zeigten sich desillusioniert und fragten sich, warum ein Mann in Biyas Alter noch zur Wahl stehe, während die Mehrheit der Befürworter:innen seiner Kandidatur hochrangige Staatsfunktionär:innen und Mitglieder seiner Partei, der CPDM, seien. Oppositionsparteien äußerten sich "skandalisiert" über Biyas Entscheidung und kritisierten seine mangelnde öffentliche Präsenz, da er seit Langem nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden sei und wichtige Ministerposten unbesetzt blieben. Ein ehemaliger Minister habe sogar behauptet, Biya habe seit 14 Jahren kein Treffen mehr geleitet, und Entscheidungen würden von seinen "Kollaborateur:innen" unter seinem Namen getroffen. ### 2. Biyas Herrschaft als "System" Präsident Paul Biya werde nicht nur als Einzelperson, sondern als ein "ganzes System" wahrgenommen. Seine lange Amtszeit, die 43 Jahre umfasse, sei aus der Perspektive des Analysten Anchang Paul sogar "klein", da Biya bereits vor und während der Unabhängigkeit des Landes in führenden Positionen tätig gewesen sei. Diese lange Präsenz habe ihm eine politische "Macht und Statur" verliehen, die es schwierig mache, sich von ihm zu lösen. ### 3. Fragmentierung der Opposition als Vorteil für den Amtsinhaber Die politische Opposition in Kamerun sei "fragmentiert und unorganisiert", was dem amtierenden Präsidenten einen "Boulevard" zum Sieg lasse. Es fehle an einer gemeinsamen Agenda und einer landesweiten Präsenz, da die meisten Oppositionsführer:innen ihre eigenen Agenden verfolgten und Schwierigkeiten hätten, sich für ein gemeinsames Ziel zusammenzuschließen. Der Analyst Anchang Paul bezeichnete den Austritt langjähriger Verbündeter Biyas kurz vor den Wahlen als "irreführend", da eine ernsthafte Präsidentschaftskampagne mindestens ein bis zwei Jahre Vorbereitung erfordere. ### 4. Mangelndes Vertrauen in das Wahlsystem Viele junge Menschen hätten kein Vertrauen in das Wahlsystem Kameruns, da die Beamten der Wahlbehörde direkt von Präsident Biya ernannt würden und es Berichte über Manipulationen der Wahlergebnisse gebe. Dies führe zu einer sehr geringen Wahlbeteiligung; bei den Wahlen 2018 hätten weniger als 3 Millionen der etwa 6 Millionen registrierten Wähler:innen ihre Stimme abgegeben, obwohl Kamerun eine Bevölkerung von rund 30 Millionen habe. Dies zeige die tiefe Skepsis gegenüber der Fairness des Prozesses. ### 5. Wunsch nach wirtschaftlicher Stabilität Kameruner:innen wünschten sich vor allem wirtschaftliche Stabilität, da das Land trotz eines hohen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 60-65% unter Armut, schlechter Infrastruktur und der Abwanderung von Ärzt:innen und Fachkräften leide. Die Stabilität, die Biya verspreche, werde von der Bevölkerung eher im Kontext von Frieden in Konfliktregionen wie dem Nordwesten und Südwesten sowie der Bekämpfung von Boko Haram gesehen, nicht aber als Lösung für die drängenden wirtschaftlichen Probleme. ### 6. Dezentralisierung als Hoffnungsträger für den Wandel Ein tatsächlicher Wandel werde eher auf legislativer Ebene und durch die fortschreitende Dezentralisierung erwartet. Lokale Akteur:innen, wie Bürgermeister:innen, gewännen an Einfluss und seien für die Jugend greifbarer als die nationalen politischen Führungspersönlichkeiten. Der Analyst Anchang Paul sehe "Projekt 2032" als den Zeitpunkt, an dem ein effektiver demokratischer Wandel und neue politische Akteur:innen in Kamerun sichtbar werden könnten, da diese durch die Dezentralisierung Erfahrungen sammelten und eine landesweite Präsenz aufbauten. ## Einordnung Die Podcast-Episode von DW AfricaLink bietet eine professionelle und sachliche Analyse der politischen Situation in Kamerun im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen. Das Format ist klar journalistisch ausgerichtet, mit einer Moderatorin, die präzise Fragen stellt, und zwei Expert:innen, die unterschiedliche, sich ergänzende Perspektiven einbringen: der politische Analyst Anchang Paul mit einer eher systemischen und historischen Betrachtung und der DW-Korrespondent Moki Kindzeka mit konkreten Beobachtungen und Stimmungsbildern von der Basis. Die Diskussionskultur ist respektvoll, aber kritisch, und die Argumente werden durch direkte Zitate und Beobachtungen untermauert. Die Analyse beleuchtet eindringlich die Herausforderungen eines Machtwechsels in einem System, das über Jahrzehnte von einer Person geprägt wurde. Es wird deutlich, dass Paul Biya nicht nur als Individuum, sondern als Verkörperung eines tief verwurzelten politischen Systems wahrgenommen wird, das seine Macht durch die Kontrolle der Wahlmechanismen und die Fragmentierung der Opposition aufrechterhält. Die Perspektive der desillusionierten Jugend wird zwar thematisiert, aber ihre Stimmen kommen nicht direkt zu Wort, sondern werden durch die Korrespondent:innen interpretiert. Dies ist eine methodische Grenze, die jedoch dem Format geschuldet ist. Die Diskussion legt unausgesprochene Annahmen offen, etwa den Wunsch nach einem Generationswechsel und die Diskrepanz zwischen der von der Regierung propagierten "Stabilität" und dem tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung an wirtschaftlicher Verbesserung. Die Analyse zeigt auf, wie bestehende Machtverhältnisse reproduziert werden und welche strukturellen Hürden einem Wandel entgegenstehen, ohne dabei die politischen Inhalte selbst zu bewerten. Hörempfehlung: Diese Podcast-Folge ist empfehlenswert für alle, die ein tieferes Verständnis für die komplexen politischen Dynamiken Kameruns und die Herausforderungen eines Machtwechsels in einem langjährigen System erlangen möchten. Sie bietet eine fundierte Analyse der Argumentationsstrukturen und der politischen Kultur im Land.