Der Tag: Zehn Jahre "Wir schaffen das" - War das Versprechen blauäugig?
Der Tag analysiert zehn Jahre Flüchtlingspolitik in Merseburg und eine PayPal-Sicherheitslücke – mit fragwürdiger Einseitigkeit im Migrationsdiskurs.
Der Tag
48 min read2127 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast "Der Tag" widmet sich in der Folge vom 28. August 2025 zwei Themen: der Bilanz zehn Jahre nach Merkels "Wir schaffen das" und einer Sicherheitslücke bei PayPal. Hauptsprecher sind Tilko Gries (Moderator), Sebastian Müller Bar (Oberbürgermeister von Merseburg) sowie Sandra Pister und Nils Nauhauser (Finanzexperten).
### 1. Merseburg beherberge rund 7.000 Menschen ohne deutschen Pass – knapp 20 % der Bevölkerung
Sebastian Müller Bar erklärt: "Wir haben rund ein bisschen aufgerundet 7.000 Menschen ohne deutschen Pass" in einer Stadt mit 36.000 Einwohner:innen. Diese Zahl sei durch mehrere Wellen entstanden – 2017 und erneut 2021/22 durch ukrainische Geflüchtete.
### 2. Es entstanden "Parallelstrukturen", weil die Kapazitäten überlastet seien
"Die vorhandenen Strukturen... wurden halt durch einen zu großen Flüchtlingsstrom überlastet. Das führte dazu, dass Parallelstrukturen entstanden sind, auch eine parallele Flüchtlingsgesellschaft entstanden ist", so Müller Bar. Besonders im Stadtteil Merseburg-Süd seien über 80 % der unter 18-Jährigen Menschen mit Migrationshintergrund.
### 3. Die bürokratischen Förderprogramme würden effektive Integration verhindern
Müller Bar kritisiert: "In jedem Förderprogramm ist es schwierig... dass man da große Bedingungen einhalten muss, dass die zeitlich befristet sind". Er fordert mehr Vertrauen und Flexibilität für Kommunen.
### 4. PayPal habe möglicherweise eine Sicherheitslücke gehabt, die 10 Milliarden Euro blockierte
Sandra Pister berichtet: "Man schätzt, dass das so 10 Milliarden Euro gewesen sein könnten... die haben die am Montag erstmal eingefroren". Die genaue Ursache sei unklar, möglicherweise sei ein Sicherheitscheck ausgefallen.
### 5. Europa sei zu abhängig von US-Zahlungsdiensten wie PayPal
Pister warnt: "Wir wissen, dass [Trump] Unternehmen benutzt, um ja, um seine Politik durchzusetzen". Europäische Alternativen wie Vero seien noch kaum verbreitet.
## Einordnung
Die Sendung präsentiert sich als sachlicher Nachrichtenpodcast, bleibt aber in der Migrationsdebatte in einer problematischen Grauzone. Während die erste Hälfte journalistisch aufgearbeitet wirkt, dominiert in der Migrationsdiskussion eine einseitige Perspektive: Es wird fast ausschließlich über "Probleme" gesprochen, ohne Geflüchtete oder Unterstützer:innen zu Wort kommen zu lassen. Die Begriffe "Parallelgesellschaft" und "Flüchtlingsgesellschaft" werden unkritisch übernommen, ohne diese problematischen Konstrukte zu hinterfragen. Die strukturellen Ursachen von Segregation – etwa die bewusste Ansiedlungspolitik oder fehlende Investitionen – bleiben unerwähnt. Stattdessen wird eine vereinfachte Ursache-Wirkung-Kette gezeichnet: zu viele Menschen auf einmal führten zwangsläufig zu Problemen. Die zweite Hälfte zum PayPal-Skandal wirkt dagegen informativ und ausgewogen. Insgesamt bleibt ein unangenehmer Beigeschmack, als würde eine rechtspopulistische Erzählung von gescheiterter Integration durch die Hintertür transportiert.
Hörwarnung: Wer eine differenzierte Auseinandersetzung mit zehn Jahren Flüchtlingspolitik sucht, wird hier nur bedingt bedient – die Perspektive bleibt zu sehr auf vermeintliche Probleme fokussiert.