IndieWire's Filmmaker Toolkit: 'Will & Harper' Director Josh Greenbaum
Ein intimes Gespräch über die Entstehung der Netflix-Doku "Will and Harper" – zwischen Freundschaft, Transition und amerikanischer Realität.
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70 min read2847 min audioIndieWire-Moderator Chris O'Falt spricht mit Regisseur Josh Greenbaum über die Netflix-Doku "Will and Harper", in der Will Ferrell und seine langjährige Freundin Harper nach ihrer Transition quer durch die USA reisen. Greenbaum, der beide seit Jahren kennt, erzählt, dass Harper anfangs ablehnte, gefilmt zu werden, sich aber später doch dazu entschied. Er habe die ersten fünf Minuten des Films als Pitch-Reel gedreht, um Finanzierer zu überzeugen. Die Crew sei minimal geblieben, um Spontanität zu wahren – 240 Stunden Material entstanden in 17 Tagen. Besonders emotional sei die Szene in Trona, Kalifornien, wo Harper ihr verfallenes Wüstenhaus zeigt, das sie einst als Rückzugsort nach ihrer Transition kaufte. Greenbaum betont, dass keine Szenen ausgespart wurden, auch wenn sie unangenehm waren, und dass Will Ferrells Prominenz sowohl Schutz als auch zusätzliche Aufmerksamkeit bedeutete. Die Kameraarbeit sei bewusst weich und poetisch gehalten, um die Intimität der Freundschaft einzufangen.
### Harper lehnte zunächst eine Dokumentation ab
Harper habe zunächst abgelehnt, an einer dokumentierten Reise teilzunehmen, da sie jahrelang vor Kameras zurückhaltend war. Greenbaum zitiert sie mit den Worten: „She has, you know, she's sort of lived her life hiding from cameras.“ Erst nach Überzeugung habe sie zugestimmt.
### Die erste Szene war ursprünglich ein Finanzierungs-Trailer
Greenbaum habe die ersten fünf Minuten des Films ursprünglich als „sizzle reel“ gedreht, um unabhängige Finanzierer zu überzeugen. Er sagt: „I actually shot all of that [...] to essentially create a little bit of a pitch reel [...] to get the film financed.“
### Die Crew war minimal und flexibel
Um Authentizität zu wahren, habe Greenbaum bewusst auf eine kleine Crew gesetzt. Er erklärt: „I need the smallest, most nimble crew I can get. So that on any given day, we can just pull off on a random exit ramp.“
### Die Reise hatte eine emotionale Mitte
Die Reise habe sich organisch in zwei Hälften entwickelt: Die erste Hälfte stelle die Frage, ob Amerika Harper liebt, die zweite, ob sie sich selbst lieben kann. Greenbaum beschreibt den Moment in Trona als emotionalen Wendepunkt: „I realized they don't I'm not afraid of them hating me, I'm afraid of hating myself.“
### Keine Szenen wurden zensiert
Greenbaum betont, dass keine Szenen ausgespart wurden – auch nicht die unangenehmen. Er sagt: „There was never a discussion of not putting that in the film.“ Will und Harper hätten nach dem ersten Schnitt keine Änderungswünsche geäußert.
## Einordnung
Josh Greenbaum führt durch eine offene, persönliche Reflexion über die Entstehung von „Will and Harper“. Das Gespräch bleibt dabei stets respektvoll und sensibel – sowohl gegenüber Harper als trans Frau als auch gegenüber den Menschen, denen sie begegnen. Greenbaum vermeidet jede Form von Sensationslust oder „Gotcha“-Momenten, betont stattdessen die Bedeutung von Vertrauen, Vulnerabilität und echter Begegnung. Die Art, wie er über Planung, Kameraarbeit und die emotionale Struktur des Films spricht, vermittelt ein tiefes Verständnis für dokumentarische Ethik. Besonders bemerkenswert ist, dass er keine Szenen ausgespart hat – auch wenn sie peinlich oder schmerzhaft waren – und dass er die Machtverhältnisse zwischen Prominenz, Kamera und marginalisierten Erfahrungen reflektiert. Die Hörer:innen bekommen einen ehrlichen Einblick in die Herausforderungen, eine solche Reise zu filmen, ohne sie zu instrumentalisieren.