Die Podcast-Folge „Raport o stanie świata” vom 3. September 2025 widmet sich dem schweren Erdbeben in Ost-Afghanistan, das mindestens 1.400 Tote und 3.000 Verletzte gefordert hat. Moderator Dariusz Rosiak spricht mit dem Politikwissenschaftler Patryk Kugiel über die katastrophalen Auswirkungen, die humanitäre Lage und die Reaktion der Taliban sowie die internationale Gemeinschaft. Dabei wird deutlich, dass Afghanistan strukturell unterfinanziert und auf externe Hilfe angewiesen ist – doch diese Hilfe stockt seit dem vollständigen Stopp der US-amerikanischen Mittel im April 2025. Die Taliban nutzen die Katastrophe, um sich als legitime Regierung zu inszenieren, während westliche Staaten zögerlich bleiben, wegen Menschenrechtsverletzungen keine direkte Zusammenarbeit zu suchen. Gleichzeitig mehren sich Berichte über interne Machtkämpfe innerhalb der Taliban, etwa zwischen Hardlinern und moderateren Kräften, die sich für Mädchenbildung einsetzen. Die Folge zeigt, dass die Taliban mittelfristig an der Macht bleiben werden – nicht zuletzt, weil es keine realistische Alternative gibt. ### Die humanitäre Katastrophe als Spiegel struktureller Armut Kugiel erklärt, dass Afghanistan seit 1990 über 355 Erdbeben erlebt habe, wobei die aktuelle Tragödie besonders verheerend wirke, weil die Bevölkerung bereits unter extremer Armut leide. Die meisten Häuser seien aus Lehm und Holz gebaut und stürzten bei Stärke 6,0 sofort ein. Gleichzeitig sei die Bevölldichte in der betroffenen Region gering, wodurch die Zahl der Opfer „noch geringer ausfalle als befürchtet“. Die Taliban verfügten kaum über Rettungsgerät; Hilfe komme fast ausschließlich von UN-Organisationen und einzelnen Staaten wie China, Pakistan und Indien – allerdings in „Tropfen auf den heißen Stein“. Die UNO habe ihren Hilfsappell nach dem US-Mittelstopp von 2,5 auf 1,6 Mrd. US-Dollar reduziert, um die „kritischsten Bedürfnisse“ zu decken. ### Geopolitische Legitimierung der Taliban Die Geberländer stehen vor einem Dilemma: Einerseits wollen sie verhindern, dass Hilfsgelder direkt in die Hände der Taliban fließen; andererseits sei jede Form von Kontakt eine implizite Anerkennung ihrer Herrschaft. Kugiel weist darauf hin, dass die Taliban die Katastrophe nutzen, „um sich als verantwortungsvolle Regierung zu inszenieren“ und gleichzeitig von der internationalen Gemeinschaft Anerkennung zu fordern. Bisher habe nur Russland die Taliban offiziell anerkannt; China, Pakistan und Iran pflegten zwar diplomatische Beziehungen, zögen aber eine vollständige Normalisierung weiterhin hinaus. Die EU betreibe ein „Representative Office“ in Kabul, halte sich aber an eine Politik des „de-facto-Dialog ohne formelle Anerkennung“. ### Interne Spaltungen und die Frage nach „Taliban 2.0“ Die Hoffnung auf eine „gemäßigte“ Taliban-Version habe sich nicht erfüllt. Zwar gebe es interne Konflikte – etwa zwischen Hardlinern um Mullah Haibatullah Akhundzada und moderateren Kräften, die Mädchenbildung befürworten – doch die Macht liege klar bei den Hardlinern. Die Taliban hätten in den vergangenen Jahren systematisch jede Opposition zerschlagen, öffentliche Hinrichtungen und religiöse Polizei dienten der Abschreckung. Viele Afghan:innen akzeptierten die Taliban „als das kleinere Übel“, weil sie nach Jahrzehnten des Krieges endlich Ruhe und Sicherheit bieten – auch wenn diese Sicherheit „wie ein sicheres Gefängnis“ wirke. ## Einordnung Die Sendung wirkt wie ein nüchterner Krisenbericht, der zwischen journalistischer Sachlichkeit und politischer Analyse oszilliert. Rosiak stellt zwar kritische Fragen, vermeidet aber scharfe Wertungen. Die Expertise von Kugiel liefert wichtige Kontexte, doch bleiben zentrale Perspektiven aus: Afghanische Stimmen – besonders von Frauen und Minderheiten – kommen nicht zu Wort, ebenso wenig wie Vertreter:innen der Taliban selbst. Die Diskussion bleibt damit eurozentriert. Die Folge liefert keine neuen Erkenntnisse, bestätigt aber die Einschätzung, dass die Taliban mittelfristig an der Macht bleiben werden – nicht zuletzt, weil der Westen keine realistische Alternative hat und sich stattdessen auf eine Politik der halbherzigen Koexistenz versteift. Wer tiefergehende Analysen sucht, wird hier nicht fündig; wer einen schnellen Überblick über die aktuelle Lage Afghanistans braucht, bekommt einen soliden, wenn auch oberflächlichen Einblick. Hörwarnung: Wer differenzierte afghanische Perspektiven sucht oder tiefergehende Analysen zur Machtstruktur der Taliban erwartet, wird enttäuscht sein.