L'esprit public: Après l’accord de Bougival, quel avenir pour la Nouvelle-Calédonie ?

France Culture analysiert den neuen Neukaledonien-Vertrag als Balanceakt zwischen Unabhängigkeit und Verbleib in Frankreich.

L'esprit public
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Der 43-minütige Beitrag des "Magazine du week-end" auf France Culture widmet sich exklusiv dem am 12. Juli 2025 unterzeichneten „Accord de Bougival“ für Neukaledonien. Antoine Dhulster führt das Gespräch mit der Rechtsprofessorin Carine David und Jean-François Merle, ehemaligen Berater von Michel Rocard. Die Sendung verzichtet auf weitere Gäste und bleibt auf diese beiden Expert:innen fokussiert. ### 1 Historischer Durchbruch oder nur ein „Projekt“? Die Expert:innen würden den Vertrag als „historisch“ bezeichnen, weniger wegen seines Inhalts, sondern weil er überhaupt zustande gekommen sei. Karine David betont: „Il a le mérite au moins d'exister“, wobei die Bezeichnung „Projet d'accord“ wohl nötig gewesen sei, um die Unterschrift der Unabhängigkeitsbefürworter:innen zu erhalten. ### 2 Ein Staat mit doppelter Staatsbürgerschaft Der Text sehe einen „État de la Nouvelle-Calédonie“ vor, der zwar nicht völkerrechtsfähig sei, aber „des compétences régaliennes“ wie Außenbeziehungen, Justiz, Sicherheit und Verteidigung übertragen bekommen könne. Die doppelte Staatsbürgerschaft samt zwei Pässen wäre „vielleicht eine weltweite Premiere“. ### 3 Bruch des Vertrauens seit 2021 Die eigentliche Vertrauenskrise datiere nicht auf 2024, sondern auf das dritte Unabhängigkeitsreferendum 2021. David erinnert: „Es war vorgesehen, dass das dritte Referendum nicht 2021 stattfindet“, doch die französische Regierung habe den Termin vorgezogen – ohne die Unabhängigkeitsbefürworter:innen, die wegen Covid boykottierten. ### 4 Machtkampf innerhalb des FLNKS Während zwei der drei FLNKS-Strömungen den Vertrag bereits billigten, habe die Union Calédonienne ihn zunächst abgelehnt. Emmanuel Tjibaou habe zwar unterschrieben, doch „es ist nicht sicher, ob es eine vollständige Ablehnung ist oder eine Forderung nach Nachverhandlung“. ### 5 Décolonisation als unausgesprochener Rahmen Jean-François Merle stellt klar: „Neukaledonien ist die Rückgabe der Souveränität, die 1853 konfisziert wurde.“ Die Debatte um Etiketten wie „assoziierter Staat“ oder „Unabhängigkeits-Assoziation“ hält er für „eine etwas sinnlose Übung“. ### 6 Zeit als kritischer Faktor Beide Expert:innen plädieren für Geduld. David mahnt: „Wir hatten 25 Jahre Zeit, um das Ende des Nouméa-Abkommens vorzubereiten. Das wurde nicht getan. Lassen wir Zeit für weitere Verhandlungen.“ ## Einordnung Die Sendung präsentiert sich als klassisches Expert:innen-Gespräch mit klarem journalistischen Anspruch. Dhulster führt souverän durch das komplexe Thema, stellt gezielt Nachfragen und bringt durch eingespielte Statements lokaler Politiker:innen (Metzdorf, Tjibaou) zusätzliche Perspektiven ein. Besonders bemerkenswert ist die Offenheit, mit der hier über die koloniale Vergangenheit und den Prozess der Décolonisation gesprochen wird – ein Diskurs, der in französischen Hauptstrommedien selten so unverkrampft geführt wird. Die Expert:innen vermeiden es, Parteipositionen zu übernehmen; stattdessen wird die Brisanz des Themas durch nüchterne Analyse vermittelt. Die fehlenden Stimmen der Zivilgesellschaft oder der jungen Generation fallen zwar auf, sind angesichts des Formats aber nachvollziehbar. Insgesamt liefert die Sendung eine differenzierte Einführung in einen historischen Wendepunkt, ohne dabei die Unsicherheit der kommenden Monate zu beschönigen. Hörempfehlung: Wer sich für die Zukunft Neukaledoniens, postkoloniale Verfassungsfragen oder die Kunst des politischen Kompromisses interessiert, erhält hier eine fundierte, vielschichtige Analyse – ohne erhobenen Zeigefinger.