LÄUFT - Der Podcast von epd medien und Grimme Institut: 72. Wann ist Medienjournalismus erfolgreich? (live vom b° future Festival in Bonn)
Drei Medienjournalist:innen diskutieren live auf dem B-Future-Festival, warum Erfolg im Medienjournalismus selten direkt sichtbar ist und wie man rechte Verschwörungspodcasts kritisch begleitet, ohne zu belehren.
LÄUFT - Der Podcast von epd medien und Grimme Institut
13 min read1705 min audioAlexander Matzkeit diskutiert live auf dem B Future Festival in Bonn mit den Medienjournalistinnen Elli Ries (Podcast „X und Y über Medien und Feminismus“) und Annika Schneider (Redakteurin von „über medien“) darüber, wie Erfolg im Medienjournalismus gemessen werden kann. Die drei sprechen über die Spannung zwischen Reichweite, Wirkung und Community-Aufbau, über gelungene und gescheiterte kritische Berichterstattung und darüber, wie Medienkritik konstruktiv statt polizeilich sein kann.
### 1. Erfolg hat viele Gesichter – und keine einfache Metrik
Elli Ries und Annika Schneider beschreiben Erfolg im Medienjournalismus als langfristigen Prozess. Ries unterscheidet zwischen privatem Konsum („Medien sind erfolgreich, wenn sie mich zum Nachdenken bringen“) und journalistischem Blick („ich will dazulernen“). Schneider betont: „Journalismus erzielt selten direkte Erfolgserlebnisse“; ihre Aufgabe sehe sie darin, Menschen mit Informationen zu versorgen, „dass sie selber ins Denken kommen“.
### 2. Kleine Recherchen können schnell wirken – wenn sie Glück haben
Als Beispiel für unmittelbare Wirkung erzählt Schneider, wie ein Hinweis auf fragliche Werbung im Telegram-Kanal der Tagesschau dazu führte, dass der Kanal geschlossen wurde – „sehr unmittelbarer Erfolg“, den sie so nicht erwartet hatte. Sie betont aber, dass solche Fälle die Ausnahme seien.
### 3. Komplexe rechte Inhalte aufzubereiten bleibt schwierig
Schneider spricht von ihrer Herausforderung, „umstritten“ rechtslastige Podcasts wie „Hoss und Hopf“ zu kritisieren. Es falle schwer, „stundenlanges Podcast mit real gefährlichen Gedanken“ so aufzuarbeiten, „dass Leute auch Bock haben, sich das nach einem langen Arbeitstag noch zu geben“, ohne dass die Kritik als „Nerden mit Details“ wahrgenommen wird.
### 4. Fachjargon verliert Hörer:innen – besonders bei Nebengeschäftigen
Elli Ries berichtet von Rückmeldungen, in denen Zuhörer:innen einzelne Fachbegriffe nicht verstehen. Das sei für sie „ein Scheitern“, weil sie „nicht niedrigschwellig genug gedacht“ habe. Journalist:innen in der Medienblase müssten sich bewusst machen, dass viele Menschen „Medien ganz nebenbei konsumieren“ und einen einfachen Zugang bräuchten.
### 5. Sichtbare Wirkung dient vor allem der Sichtbarkeit – nicht dem Selbstzweck
Die Redaktion von „über medien“ dokumentiere gerne sichtbare Erfolge (Änderungen, Rügen, Kanal-Schließungen), um ihrer Community zu zeigen, „dass ihr bewirkt auch was“. Die Themenauswahl erfolge aber nicht nach Wirkungsversprechen, sondern danach, „wie Medien funktionieren“ transparent zu machen. Viele Fehler passierten nicht aus Böswillen, sondern aus strukturellen Problemen heraus.
## Einordnung
Das Gespräch zeigt einmal mehr, dass der Medienjournalismus sich selbst zwischen Anspruch und Wirkung verortet: Er will aufklären, ohne belehrend zu wirken, und langfristige Prozesse in einer Öffentlichkeit sichtbar machen, die auf schnelle Erfolge konditioniert ist. Besonders interessant ist, wie offen die beiden Journalistinnen über ihre eigenen Schwächen sprechen: Die Problematik rechter Verschwörungsinhalte wird benannt, aber nicht detailliert analysiert; stattdessen wird die eigene Sprachlosigkeit vor dem Phänomen zur Chefsache. Gleichzeitig wird deutlich, dass Professionalität im Medienjournalismus nicht nur in Aufdeckung, sondern auch in der permanenten Reflexion der eigenen Vermittlungsformen besteht – ein Befund, der für alle Formen von Kritik gilt. Der Podcast bietet damit keine einfachen Antworten, sondern eine ehrliche Bestandsaufnahme einer Profession, die sich selbst zwischen Beobachtung, Wirkung und Community-Finanzierung verorten muss.
Hörempfehlung: Wer wissen will, wie Medienkritiker:innen selbst über Erfolg, Scheitern und die Balance zwischen Tiefe und Zugänglichkeit nachdenken, bekommt hier einen ungeschönten Einblick – mit dem Charme einer Live-Produktion und ohne erhobenen Zeigefinger.