Der Tag: Stimmung oder Stimmungsmache? - Ist Schwarz-Rot doch mehr als Bullshit?
Selbstreflexive Analyse der Medienberichterstattung über die schwarz-rote Koalition und widersprüchliche Meeresschutz-Politik.
Der Tag
44 min read1938 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast "Der Tag" vom 4. September 2023 beleuchtet die schwarz-rote Koalition nach einem Sommer voller Streit. Moderatorin Sarah Zerback diskutiert mit Stefan Dietchen (Hauptstadtstudio) über die Medienrolle bei der Verbreitung des "Ampel-2.0-Kollaps"-Narrativs. Dietchen wirft den Medien vor, durch überzogene Dramatik eine "selbsterfüllende Prophezeiung" zu schaffen: "Es gibt so viele Anmoderationen, die so sinngemäß anfingen, die Koalition hat ihren Start verpatzt." Die beiden analysieren, wie personelle Animositäten (Merz vs. Bar) und parteitaktische Statements die Berichterstattung dominieren, während sachliche Auseinandersetzungen (z.B. Sozialreform) vernachlässigt würden. Im zweiten Teil erklärt Ankatrin Büsker (Umweltredaktion) die widersprüchliche Meeresschutz-Politik: Während die Bundesregierung neue Öl-/Gasbohrverbot in der ausschließlichen Wirtschaftszone beschließt, wurde für das Borkum-Projekt im Küstenmeer (zuständig: Niedersachsen) weiterhin grünes Licht gegeben. Umweltminister Schneider (SPD) habe dem Unitarisierungsabkommen mit den Niederlanden zugestimmt, obwohl Klimaschützer:innen warnen, neue Gasinfrastruktur widerspreche Klimazielen. Die Energiewende stehe vor dem Spagat zwischen Kostendämpfung und Klimazielerreichung.
## Einordnung
Die Sendung präsentiert sich als klassisches Nachrichtenmagazin mit journalistischem Anspruch, bleibt aber in der Selbstreflexion oberflächlich. Die Kritik an der Medienberichterstattung bleibt vage – konkrete Beispiele für Fehlverhalten werden nicht geliefert, stattdessen fließt die Selbstkritik in eine diffuse "wir alle"-Rhetorik. Interessant: Während die Redaktion die Koalition auffordert, "in der Sache" zu diskutieren, verharrt sie selbst auf der Metaebene. Die Expertise der Gesprächspartner:innen ist hoch, doch die Perspektiven bleiben innerhalb des Berliner Politik-Medien-Kosmos. Kritische Stimmen von Umweltaktivist:innen oder betroffenen Bürger:innen fehlen völlig. Die Darstellung der Meeresschutz-Politik vermeidet klare Positionierung – weder wird die Brisanz des Klimawandels noch die Verantwortung der Regierung thematisiert. Die Sendung reproduziert damit genau jene "alles halb so wild"-Stimmung, die sie bei der Koalitionsberichterstattung kritisiert.