Der Tagesschau-Podcast „11KM“ beleuchtet in der Episode „Deutsches Geld für den Terror“ die Rolle privater Spenden aus Deutschland für den sogenannten Islamischen Staat (IS). Moderatorin Elena Kuch führt Gespräche mit dem BR-Journalisten Joseph Röhmel, der seit Jahren über islamistischen Terror recherchiert. Im Fokus stehen kleinere Spendensummen, die über Messenger-Dienste wie Telegram oder Kryptowährungen gesammelt und über das Hawala-System in die Hand des IS gelangen. Zentrale Figur ist die Münchnerin Elef Ö., die laut Ermittlern ab 2015 über 40.000 Euro für den IS einsammelte. Die Recherchen zeigen, dass besonders Frauen in den Camps in Syrien als Rekrutierungs- und Geldsammelplattform dienen. Experten wie Hans-Jakob Schindler betonen, dass Deutschland aufgrund seiner großen islamistischen Szene und Wirtschaftskraft eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung des IS spielt. Problematisch sei, dass die Gesetze Versuche, Terrororganisationen zu unterstützen, erst ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Geldübergabe strafbar machen – ein Versuchsstrafrecht plant das Bundesjustizministerium, ist aber noch nicht in Kraft. ### Tether werde für illegale Aktivitäten genutzt Joseph Röhmel berichtet, dass Kryptowährungen wie Tether mittlerweile eine „beliebte Methode“ seien, Spendengelder an den IS zu übermitteln. "Inzwischen kann ich auch kryptiert das Geld überweisen lassen, dass es dann für Ermittler noch viel viel schwieriger wird, das Ganze dann auch wirklich zu durchschauen." Die Spenden würden so verschlüsselt, dass Behörden den Geldfluss kaum mehr nachvollziehen könnten. Dabei handle es sich um eine moderne Variante des klassischen Hawala-Systems, bei dem kein Bargeld physisch fließe, sondern nur Buchgeld über Vertrauensnetzwerke transferiert werde. ### Frauen als zentrale Rekrutierer:innen und Geldsammler:innen Frauen spielten für den IS eine „zentrale Funktion beim Eintreiben von Spenden", so Röhmel. Über soziale Medien und Messenger-Dienste würden sie andere Frauen anwerben, um Geld zu sammeln. "Die Frauen sind ja den ganzen Tag nur zu Hause und man rekrutiert da im Internet auch andere Frauen noch damit zu helfen und Spenden zu sammeln", zitiert er Chloe, eine ehemalige IS-Anhängerin. Die patriarchalischen Strukturen innerhalb des IS nutze man gezielt: Männer kämpfen, während Frauen durch Gebären neues Personal sichern und über Netzwerke Geld beschaffen. ### Spenden über Hawala und Türkei-Transfer Ein häufiger Weg führe über das traditionelle Hawala-System: Spendensammler:innen überweisen Geld zunächst legal in die Türkei, von wo es informell – ohne physischen Geldfluss – über ein Netzwerk von Vertrauenspersonen an Empfänger:innen im Nahen Osten weitergeleitet wird. "Das Ganze funktioniert rein über Vertrauen und Kontakte und damit ist eben auch klar, warum das bei Terroristen so gut funktioniert, weil es eben total informell ist", erklärt Röhmel. Ermittler:innen könnten nur durch Chatprotokolle („Danke, das Geld ist angekommen“) nachweisen, dass Mittel tatsächlich beim IS landeten. ### Gesetzeslücken erschweren Strafverfolgung Trotz konkreter Hinweise sei die Strafverfolgung schwierig: § 129a Abs. 5 StGB verlange, dass Geld tatsächlich bei einer Terrororganisation ankomme; der erst 2015 eingeführte § 89c StGB erfasse nur gezielte Finanzierung konkreter Straftaten wie Geiselnahmen. „Kein Terrorfinanzierer wird so blöd sein, dass er den Zweck aufschreibt“, konstatiert Röhmel. Das Bundesjustizministerium plant daher, bereits den Versuch der Geldübermittlung mit Strafe zu belegen – bislang fehle jedoch ein konkretes Datum. ### Oma überweist Enkel Geld – und wird selbst strafrechtlich verurteilt Röhmel dokumentiert den Fall einer deutschen Großmutter, die 2016 ihrem in Syrien kämpfenden Enkel Geld schickte, weil dieser angebelt vor Hunger sterben würde. Obwohl das Gericht anerkannte, dass sie „wirklich ihrem Enkel helfen wollte“, wurde sie wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Vorwurf: Sie habe gewusst, dass er beim IS sei und das Geld indirekt der Organisation zugeflossen sei. Der Fall verdeutlicht, wie schnell private Hilfe in Strafrecht umschlagen kann. ## Einordnung Die 28-minütige Dokumentation arbeitet professionell recherchiert und sorgfältig inszeniert. Die Macher:innen nutzen durchgehend den Konjunktiv, wenn unbewiesene Behauptungen auftreten, und belegen Fakten mit Gerichtsurteilen, Chat-Logs und Expertengutachten. Besonders gelungen ist die Verknüpfung individueller Schicksale (Chloe, Elef Ö., Großmutter) mit systemischen Fragen: Machtstrukturen innerhalb des IS, rechtliche Hürden für Ermittler:innen und die technische Evolution der Geldtransferwege. Kritisch bleibt, dass ausschließlich staatliche und sicherheitspolitische Perspektiven vorkommen; alternative Sichtweisen etwa von Menschenrechtsorganisationen oder finanztechnischen Ethik-Expert:innen fehlen. Dennoch gelingt es dem Format, ohne sensationsheischende Rhetorik eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema zu liefern und dabei die Komplexität moderner Terrorfinanzierung verständlich zu machen. Hörenswert für alle, die sich fundiert über die Schnittstelle von Kriminalität, Technologie und Gesetzgebung informieren möchten.