Bern einfach. Das Wichtigste zum Tag.: Co-Lölis Meyer und Wermuth, SP an der Macht, SVP im Hoch, FDP im Tief, kommunistische Grüne
Unbelegte Behauptungen über angebliche SP-Machtelite und plumpe Wirtschaftspropaganda statt sachlicher Analyse.
Bern einfach. Das Wichtigste zum Tag.
11 min read1342 min audioDer Podcast „Nebelspalter“ ist ein Selbstversprechen „unabhängig“ und „kritisch“, doch in der besprochenen Folge vom 16. Oktober 2022 dominieren Polemik statt Analyse. Die Moderatoren Markus Somm und Dominik Feusi greifen die SP-Co-Präsident:innen Cédric Wermuth und Mattea Meyer scharf an, weil sie in einem Interview die Erbschaftssteuer-Initiative befürworten. Die Diskussion entgleist rasch in pauschale Schuldzuweisungen: Die SP werde als „infantil“ diffamiert, ihre Wirtschaftskompetenz läge „auf dem Niveau lustige Taschenbücher“ und sie dominiere – so die Behauptung – 80 % der Verwaltung, 90 % der Professoren und 67 % der Journalist:innen. Diese „Machtkonzentration“ sei die „gefährlichste“ im Land. Als „marxistische Verschwörungstheorie“ wird die Kritik an Vermögensungleichheit abgetan; Reichtum entstehe ausschließlich durch freiwillige Markttransaktionen, Ausbeutung existiere praktisch nicht. Daten zur tatsächlichen Verteilung oder wissenschaftliche Literatur werden nicht zitiert. Am Schluss wird die Umfragehoch der SVP (knapp 30 %) kommentiert, wobei die FDP als Verliererin dargestellt wird.
### Die SP als „Machtkartell“
Die Moderatoren behaupten, die Sozialdemokratische Partei kontrolliere nahezu alle gesellschaftlichen Schlüsselinstitutionen. Als Beleg dient eine unbelegte Aufzählung: „80 % von Beamte sind SP … 67 % von der Journalisten … 90 % von der Professoren.“ Diese Zahlen werden ohne Quelle oder Studie in den Raum gestellt und dienen primär der Stimmungsmache. Das direkte Zitat „Das ist die gefährlichste Machtkonzentration in dem Land“ zeigt, wie aus Einzelmeinungen eine vermeintliche gesamtgesellschaftliche Bedrohung konstruiert wird.
### Wirtschaftliche Ungleichheit wird geleugnet
Trotz bekannter Daten zur Vermögensungleichheit behaupten die Sprechenden, der Gini-Koeffizient sei „immer stabil“. Die Aussage „Vermögensungleichheit, das ist Volk von vor Jahrzehnte, ich wüsste ja Jahrhundert“ impliziert, heutige Ungleichheit sei lediglich altes Erbe und somit unveränderbar. Der Begriff „Konzentration des Reichtums“ wird lächerlich gemacht: „Es stimmt halt einfach nicht.“ Evidenzbasierte Gegenargumente fehlen; stattdessen wird mit Bauchgefühl argumentiert.
### „Reich-werden“ als moralisch verdientes Freiwilligengeschäft
Unternehmer:innen werden ausschließlich als Dienstleister:innen dargestellt, die nur dann Gewinne erzielen, „wenn er etwas macht, wo Mehrheit von der Leute … ganz viel Leute gut findet.“ Diese marktradikale Sichtweise blendet Machtasymmetrien, Monopole und erbschaftsbedingte Vermögenskonzentration vollständig aus. Die historische Arbeiter:innen-Ausbeutung wird als „19. Jahrhundert“ abgetan und damit als gegenwärtig irrelevant erklärt.
### Sozialdemokratische Argumente als „Hetze“
Während diffamierende Begriffe wie „infantil“ und „Blödsinn“ durchgehend verwendet werden, wird der Vorwurf der „Hetze“ ausschließlich gegen linke Positionen umgedreht. Das Zitat „wenn man gegen die Reiche jetzt … Hetze, das ist Hetze, wo ich mache“ illustriert diese Strategie der Umkehr des Vorwurfs. Differenzierte Kritik wird so in ein Tabu verpackt, während eigene Polemik als legitime Meinung präsentiert wird.
### SVP-Hoch in Umfragen wird natürlich gezeigt, ohne interne Begründung
Am Ende der Folge wird die jüngste Umfrage zitiert, wonach die SVP auf fast 30 % zulege. Dies wird mit der Wahrnehmung der „drängenden Probleme“ erklärt, ohne dass inhaltliche Positionen zur Migration, EU-Beziehung oder Mietpreisen diskutiert würden. Die FDP hingegen verliere, weil sie bei diesen Themen „nicht gewinne“. Die Analyse bleibt oberflächlich und dient primär der Selbstbestätigung.
## Einordnung
Die Folge ist kein Beispiel für kritischen Journalismus, sondern für durchorganisierte Meinungsmache. Indem ausgewählte Gegner:innen diffamiert und mit unbelegten Behauptungen überzogen werden, wird ein Feindbild konstruiert, das die politische Polarisierung weiter befeuert. Die wiederholte Behauptung, die SP kontrolliere alle relevanten Institutionen, nährt verschwörungstheoretische Narrative ohne empirische Grundlage. Wirtschaftliche Ungleichheit und sozialstaatliche Gegenmaßnahmen werden durch marktradikale Rhetorik delegitimiert; wissenschaftliche Erkenntnisse zur Vermögensverteilung werden ignoriert. Die Sendung bedient sich dabei eines anti-elitären Tonfalls, der gleichzeitig Akademiker:innen als „links-grün versifft“ denunziert. Die mangelnde Trennung von journalistischer Analyse und parteipolitischer Kampagnenarbeit macht deutlich, dass sich der „Nebelspalter“ hier nicht als Informations-, sondern als Agitationsmedium versteht. Für Hörer:innen, die an Fakten und differenzierten Argumenten interessiert sind, bietet die Folge wenig Mehrwert – sie dient vor allem der Bestätigung eigener Weltbilder.