Der Autor, ein Entwickler, analysiert seine zwiespältige Arbeitsbeziehung zu KI-Coding-Assistenten wie Claude. Er beschreibt seinen veränderten Workflow als den eines "Symphoniedirigenten", der ein chaotisches Orchester leitet: Obwohl die KI die Arbeit beschleunigt, erfordert sie ständige Überwachung und Korrekturen, was er als "Babysitting" bezeichnet. Diese Dynamik sei zwar produktiv, aber auch subtil frustrierend. Ein zentrales Argument ist die These, dass diese Werkzeuge süchtig machende Elemente aufweisen. Der Reiz, Arbeit scheinbar "kostenlos" delegiert zu bekommen, führe dazu, dass der Autor länger arbeitet als geplant und sich nicht vom Bildschirm lösen kann. Statt der versprochenen kürzeren Arbeitswoche manifestiere sich hier eine Form des Jevons-Paradoxons: Effizienzsteigerung führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Arbeit. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Geschäftsmodell der Anbieter. Der Autor schildert, wie er mitten in einem wichtigen Projekt an ein Nutzungslimit stieß und sich gezwungen sah, ein teures Upgrade zu kaufen. Diese Situation, in der die Abhängigkeit der Nutzer:innen gezielt ausgenutzt wird, beschreibt er als "weniger eine Entscheidung und mehr wie eine Lösegeldforderung". Schließlich warnt der Autor vor einem schleichenden Verlust der kreativen Handlungsfähigkeit. Er stellt die Frage, ob Entwickler:innen die KI noch nutzen, um ihre Visionen umzusetzen, oder ob sie ihre Visionen bereits an die Fähigkeiten und Grenzen der KI anpassen. Er fragt: "Are we augmenting our vision; or we are conforming our vision to what the tool can execute?". Diese Umkehrung der Kontrolle sei, als würde der Schwanz mit dem Hund wedeln. ## Einordnung Der Newsletter bietet eine scharfsinnige und persönliche Reflexion über die Schattenseiten der KI-Integration in kreativen Arbeitsprozessen. Die Argumentation stützt sich stark auf die subjektive Erfahrung des Autors, die er jedoch überzeugend mit etablierten soziologischen und ökonomischen Konzepten wie dem Jevons-Paradox verknüpft. Dabei bleibt die Perspektive auf die des erfahrenen Einzelentwicklers fokussiert; die Sichtweisen von Unternehmen oder die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden nur am Rande gestreift. Die unausgesprochene Annahme des Textes ist der Wert menschlicher Autonomie und handwerklicher Kontrolle, die durch die unberechenbare und fremdgesteuerte Natur der KI-Tools untergraben wird. Der Autor kritisiert nicht die Technologie an sich, sondern die Machtasymmetrie zwischen den Nutzer:innen und den Anbietern, deren Geschäftsmodelle auf der Erzeugung von Abhängigkeit basieren. Die Analyse ist frei von ideologischen Verzerrungen und stellt eine differenzierte Auseinandersetzung mit den unbeabsichtigten Folgen neuer Technologien dar. Der Text ist für alle lesenswert, die beruflich mit generativer KI arbeiten und über reine Effizienzsteigerung hinausdenken möchten. Er liefert eine wichtige, kritische Perspektive auf die psychologischen und strukturellen Veränderungen, die diese Werkzeuge für die moderne Wissensarbeit bedeuten. Länge des Newsletters: 13663