Bundestalk - Der Politik-Podcast der taz: Stadtbild? Welches Stadtbild?!
Der Bundestalk zerpflückt Friedrich Merz' umstrittene „Stadtbild“-Äußerung und liefert eine differenzierte Analyse rassistischer Rhetorik in der deutschen Politik.
Bundestalk - Der Politik-Podcast der taz
2942 min audioIm Bundestalk-Podcast der taz diskutieren Sabine am Orde, Jasmin Kalarickal, Lukas Wallraff und Patricia Hecht über Kanzler Friedrich Merz' umstrittene Aussagen zum "Stadtbild", die als rassistisch und dog-whistle-artig kritisiert werden. Merz habe mit bewusster Vagheit migrantische Menschen stigmatisiert und dabei Sexismus- und Sicherheitsdebatten verknüpft, ohne konkrete Probleme zu benennen. Die Redakteur:innen werfen ihm vor, damit die AfD-Strategie der Angst- und Abschiebe-Rhetorik zu übernehmen, während er sich formal davon distanziert. Sie analysieren, dass seine Worte auf rechter Seite Anklang finden, intern in der Union jedoch kaum Widerspruch laut wird. Kritisiert wird auch, dass dadurch reale städtische Probleme wie Obdachlosigkeit, fehlende Sozialwohnungen, Bildungs- und Jugendarbeit verdrängt würden. Die Folge zeigt, wie wenig Selbstkritik in der CDU vorhanden ist und wie gefährlich die weitverbreitete Annahme wirkt, man könne durch Abschiebungen Sicherheit und Sauberkeit herstellen. Die Diskussion bleibt auf journalistisch hohem Niveau, bringt differenzierte Fakten zur Gewaltstatistik, klärt über Fehlwahrnehmungen auf und fordert stattdessen soziale und feministische Lösungen. ## Einordnung Der Bundestalk liefert ein gelungenes Beispiel für kritisch-reflektierenden Politjournalismus: Vier erfahrene taz-Redakteur:innen diskutieren 48 Minuten lang mit analytischer Schärfe und ohne aufgeregte Polemik, wie Merz mit einem einzigen Begriff – „Stadtbild“ – ein rassistisches Narrativ bedient und dabei klassische Rechts-Strategien nutzt: das Beschwören undefinierter Angst, das Beschwören von Sexismus- und Sicherheitsgefahren sowie die Fokussierung auf „optische“ Merkmale statt auf konkrete Straftaten. Besonders wertvoll ist, dass sie die Diskrepanz zwischen formaler Distanz zur AfD und inhaltlicher Übernahme ihrer Sprachmuster herausarbeiten, dabei interne Unionspositionen offenlegen und zeigen, wie sehr Medien und Politik mit einfachen „Ausländer-kriminalität“-Frames Vorurteile schüren. Die Sendung verzichtet auf Boulevard-Heißstellung, differenziert zwischen statistischellen Überrepräsentation und strukturellen Ursachen (Alter, soziale Lage, toxische Männlichkeit) und macht deutlich, dass eine ehrliche Sicherheitsdebatte vor allem soziale Investitionen statt Sündenbockabschiebungen braucht. Kleinere Schwächen: Die Moderation nimmt gelegentlich eine zu neutrale Beobachterrolle ein, statt konsequenter nachzuhaken, und die CDU-interne Kritik bleibt auf wenige liberale Stimmen beschränkt. Dennoch bleibt die Folge ein Musterbeispiel für faktenbasierte, intersektionale Analyse von rechts-nationaler Rhetorik in Deutschland. Hörempfehlung: Unbedingt anhören, wer verstehen will, wie rassistische Dog-Whistles heute funktionieren und warum sie selbst in bürgerlichen Parteien salonfähig werden.