Notes From The Circus: A Culture of Digital Junkies
Eine scharfe Kritik an der Aufmerksamkeitsökonomie, die Social Media als die größte Bedrohung für unsere kollektive Vernunft und Demokratie darstellt.
Notes From The Circus
8 min readIn dieser Ausgabe von "Notes From The Circus" argumentiert der Autor, dass der Verfall der politischen Kultur kein Zufall, sondern das direkte Ergebnis der technologischen Infrastruktur von Social-Media-Plattformen ist. Diese seien darauf ausgelegt, die schlechtesten menschlichen Impulse zu belohnen und demokratische Tugenden zu bestrafen. Anhand von Donald Trumps Aufstieg, der als Produkt und nicht als Verursacher der Twitter-Kultur dargestellt wird, illustriert der Text die These, dass das Medium die Botschaft formt. Die zentrale Metapher des Newsletters ist die der Sucht: Der Autor vergleicht die durch Algorithmen erzeugte Abhängigkeit von sozialen Medien mit einer Drogensucht und bezeichnet sie als noch gefährlicher. Er behauptet: "Ich würde argumentieren, dass soziale Medien der Welt mehr Schaden zugefügt haben als Heroin, Kokain oder sogar Fentanyl jemals getan haben." Anders als Drogen, die Individuen zerstörten, fragmentiere die algorithmische Sucht die kognitive Infrastruktur, die für kollektives Denken und damit für eine funktionierende Demokratie notwendig sei. Der Autor bezieht sich auf Sam Harris' Rat, sich individuell aus den sozialen Medien zurückzuziehen, hält dies jedoch für unzureichend. Das Problem sei eine "zivilisatorische Sucht", die durch eine Aufmerksamkeitsökonomie befeuert wird, die menschliches Bewusstsein zur Ware macht. Diese Systeme hätten uns nicht verbundener, informierter oder demokratischer gemacht, sondern einsamer, manipulierter und unfähiger, komplexe Informationen zu verarbeiten. Der Newsletter schließt mit einem dringenden Appell zum kollektiven Widerstand gegen diese Systeme, bevor die Fähigkeit zur bewussten Entscheidung vollständig erodiert ist.
Länge des Newsletters: 7982
## Einordnung
Der Newsletter nutzt das wirkungsvolle Framing der "Sucht", um die komplexen Zusammenhänge zwischen Plattform-Kapitalismus, algorithmischer Steuerung und politischer Polarisierung zugänglich zu machen. Diese Metapher ist rhetorisch stark, birgt aber die Gefahr, sozioökonomische und historische Ursachen für politische Krisen in den Hintergrund zu rücken und die Technologie als alleinigen Sündenbock darzustellen. Die Perspektive ist die eines liberalen Intellektuellen, der sich auf Denker wie Marshall McLuhan und Sam Harris stützt, während Stimmen aus der Technikentwicklung, von marginalisierten Nutzer:innengruppen oder aus der Regulierungsdebatte fehlen. Eine zentrale implizite Annahme ist die Existenz einer früheren, besseren politischen Kultur, die durch Technologie korrumpiert wurde – eine idealisierte Sicht auf die Vergangenheit. Die Argumentation ist an manchen Stellen, wie dem Vergleich mit Fentanyl, bewusst hyperbolisch, was die Dringlichkeit unterstreicht, aber auch als polemisch empfunden werden kann. Während die Problemanalyse scharf und pointiert ist, bleibt der Aufruf zum "kollektiven Widerstand" abstrakt und ohne konkrete Handlungsvorschläge.
Der Text ist gesellschaftlich hochrelevant, da er die grundlegende Funktionsweise der digitalen Öffentlichkeit kritisch beleuchtet. Lesenswert ist der Newsletter für alle, die eine leidenschaftliche und zugängliche Diagnose der destruktiven Potenziale von Social Media suchen. Eine Lesewarnung gilt für jene, die eine differenzierte Analyse mit konkreten politischen Lösungsansätzen jenseits eines allgemeinen Appells erwarten.