Der Podcast "Public Eye im Ohr" behandelt in dieser Folge die prekären Arbeitsbedingungen von Erntehelfer:innen in südlichen EU-Ländern. Gast ist Ben Kempas von Film & Campaign, der für den Dokumentarfilm "The Pickers" wirbt. Dieser zeigt die Lebensrealität tausender Arbeiter:innen aus Afrika und Osteuropa, die in sogenannten Plastikmeeren in Südspanien, Italien und Griechenland unter unwürdigen Bedingungen Obst und Gemüse ernten. ### 1. Preisdruck als Hauptursache für Ausbeutung Kempas erklärt, der extreme Preisdruck der Supermärkte sei die Hauptursache für die menschenunwürdigen Bedingungen. In Italien würden Tomaten für nur 9 Cent pro Kilo verkauft: "Dieser Preisdruck, der wird natürlich nach unten durchgereicht. Und wenn der so extrem ist, dann kann das halt nur auf dem Rücken von den Erntehelfenden passieren." ### 2. Politisches Versagen und fehlende Gesetzesdurchsetzung Die Politik werde das System aktiv gedulden, indem sie bestehende Gesetze nicht durchsetze. Die Behörden schauten weg, obwohl Arbeitsrechte klar verletzt würden. Dies sei Teil eines europaweiten Problems, das systematisch funktioniere. ### 3. Vulnerable Arbeitskräfte ohne Alternative Die meisten Erntehelfer:innen seien abgelehnte Asylsuchende ohne gültige Arbeitserlaubnis. Sie seien auf diese Jobs angewiesen, da sie keine Alternative hätten: "Weil sie wissen, es gibt immer zehn andere, die draußen warten und den Job annehmen würden." ### 4. Unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen Während Deutschland seit 2023 ein Lieferkettengesetz habe, das Unternehmen zur Verantwortung für Menschenrechte in der Lieferkette zwinge, sei die Schweiz mit einer reinen Berichtspflicht deutlich schwächer aufgestellt. Die gescheiterte Konzernverantwortungsinitiative habe eine stärkere Regulierung verhindert. ### 5. Konsumenten als Hebel für Veränderung Kempas betont die Bedeutung bewussten Konsums. Es gebe faire Alternativen wie die Initiative SOS Rosarno, die fair gehandelte Orangen anbiete. Konsument:innen sollten nicht einfach die billigsten Produkte kaufen, sondern auf Herkunft und Produktionsbedingungen achten. ### 6. Mutige Betroffene trotz Gefahr Die im Film porträtierten Erntehelfer:innen hätten trotz Sicherheitsbedenken mit Klarnamen und Gesicht gezeigt. Nach den Dreharbeiten seien sie jedoch in andere Regionen umgezogen, um sich nicht mehr identifizieren zu lassen. ## Einordnung Diese Podcast-Folge zeigt journalistische Professionalität und gesellschaftliches Engagement. Nico Meier führt das Gespräch strukturiert und kritisch, ohne in billige Aufklärung abzurutschen. Besonders bemerkenswert ist die klare Analyse der Machtverhältnisse: Während die Verantwortlichen - Supermärkte und Landwirtschaft - kaum zur Rede stehen, gelingt es dem Format, die Perspektive der Ausgebeuteten sichtbar zu machen. Die Argumentation bleibt stringent, indem sie die Verbindung zwischen Konsumentenverhalten und Produktionsbedingungen herstellt. Allerdings bleibt die Frage nach der Verantwortung der Schweizer Detailhändler und deren konkreten Beiträgen zur Lösung etwas blass. Der Podcast transportiert wichtige Informationen über ein europäisches Problem, das viele Konsument:innen ignorieren. Die journalistische Leistung besteht darin, komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen, ohne in billige Moral zu verfallen. Die Einordnung der rechtlichen Unterschiede zwischen Deutschland und Schweiz liefert wertvolle Orientierung für die Diskussion um Konzernverantwortung.