### Strategische Leere: Deutschlands ungelöste Krisen Der politische Diskurs in Deutschland ist von einer tiefen Kluft zwischen strategischem Anspruch und politischer Realität geprägt. Sowohl im Umgang mit dem Aufstieg der AfD als auch in der Klimapolitik offenbaren sich Muster der strategischen Unschärfe und inneren Zerrissenheit, die effektives Handeln auf nationaler und europäischer Ebene zu lähmen scheinen. Es zeichnet sich das Bild einer Politik ab, deren normative Setzungen – die „Brandmauer“ gegen Rechts und die Führungsrolle im Klimaschutz – an der Komplexität der Wirklichkeit und an internen Machtkämpfen zerfallen. #### Die Erosion der politischen „Brandmauern“ Ein zentrales Narrativ ist der Zerfall von einst als unumstößlich geltenden politischen Dogmen. Die sogenannte „Brandmauer“ der CDU zur AfD erweist sich zunehmend als rhetorische Figur, deren praktische Substanz erodiert. Die Weigerung der stellvertretenden CDU-Generalsekretärin, eine klare Grenze zwischen „Tolerierung“ und „Zusammenarbeit“ zu ziehen, entlarvt eine tiefgreifende strategische Leere an der Parteispitze – "Merz, die AfD und ein Interview, das so nicht sein sollte" (POLITICO Berlin Playbook, 21.10.2025). Diese Erosion findet ihr Echo auf europäischer Ebene in der Klimapolitik. Während die EU global eine Führungsrolle beansprucht, reist sie ohne gemeinsame Klimaziele zur Konferenz nach Brasilien, weil interne Streitigkeiten eine Einigung verhindern – "Klimakonferenz in Brasilien - Warum die EU mit leeren Koffern anreist" (Der Tag, 21.10.2025). In beiden Fällen kollabiert eine nach außen projizierte Stärke an inneren Widersprüchen. #### Strategische Ambiguität als Herrschaftstechnik und Schwäche Die Unschärfe in der Positionierung ist kein Zufall, sondern scheint ein bewusstes politisches Instrument zu sein, das jedoch zur Lähmung führt. Die CDU vermeidet eine klare Definition im Umgang mit der AfD, mutmaßlich um sich Optionen in den ostdeutschen Bundesländern offenzuhalten, wo die Realitäten eine strikte Abgrenzung erschweren (POLITICO Berlin Playbook). Ähnlich agiert die Bundesregierung in der Klimapolitik: Sie befürwortet offiziell das Verbrenner-Aus, drängt aber gleichzeitig auf Ausnahmen und plant den massiven Ausbau von Gaskraftwerken, der die Klimaziele konterkariert (Der Tag). Diese strategische Ambiguität dient der Befriedung widerstreitender interner Lager – von Wirtschaftsflügeln bis zu Koalitionspartnern – verhindert aber eine kohärente und glaubwürdige Politik. #### Der Ost-West-Graben als strukturelle Konfliktlinie Beide Themenkomplexe werden von einem tiefen Ost-West-Graben durchzogen, der als strukturelles Hindernis für gesamtstaatliche und europäische Lösungen wirkt. Die Infragestellung der „Brandmauer“ wird maßgeblich von den politischen Realitäten in Ostdeutschland angetrieben, wo CDU-Kommunalpolitiker bereits von der Parteilinie abweichen . Auf EU-Ebene sind es ebenfalls Streitigkeiten zwischen ost- und westeuropäischen Mitgliedstaaten, die eine Verschärfung des Emissionshandels blockieren und so ein zentrales Instrument der Klimapolitik schwächen . Dies verdeutlicht, dass die politischen Kulturen und ökonomischen Interessen innerhalb Deutschlands und Europas so weit auseinanderdriften, dass gemeinsame Nenner kaum noch zu finden sind. #### Meta-Ebene: Die Entkopplung von Diskurs und Realität Auffällig ist die Entkopplung der Diskursebenen. Auf Bundesebene werden große Narrative wie Friedrich Merz' „Chefsache“-Strategie für Reformen inszeniert, die jedoch an der fehlenden Durchsetzbarkeit und dem Widerstand in der eigenen Partei scheitern (POLITICO Berlin Playbook). Gleichzeitig werden auf lokaler Ebene Debatten wie die Olympia-Bewerbung in München primär unter pragmatischen Kosten-Nutzen-Aspekten geführt, während die übergeordnete klimapolitische Dimension in den Hintergrund tritt (Der Tag). Es fehlt eine vermittelnde Ebene, die abstrakte nationale Ziele in konkretes lokales Handeln übersetzt. Der Diskurs wird dabei maßgeblich durch journalistische Hartnäckigkeit geprägt, die, wie im Fall des Interviews mit Christina Stumpp, die Diskrepanz zwischen Rhetorik und Substanz erst sichtbar macht .