11KM: der tagesschau-Podcast: Nach Belarus-Manöver: Wie weit wird Putin noch gehen?
Eine ARD-Reportage über das Militärmanöver "Sapad", Putins Drohnen-Tests und die Frage, warum es keine vertrauensbildenden Schritte gibt.
11KM: der tagesschau-Podcast
31 min read1585 min audioDer ARD-Podcast "11KM" begleitet Korrespondent:innen auf Recherchen. In dieser Folge berichtet Frank Eichmann vom gemeinsamen Militärmanöver "Sapad/der Westen" von Russland und Belarus. Er schildert die Inszenierung als Abwehrübung gegen einen äußeren Feind und ordnet sie in Putins Strategie ein: Drohnenflüge über NATO-Staaten kurz zuvor, Atomwaffen-Doktrin, verbündete Autokratien und Verhandlungen mit Trump. Die Redaktion reflektiert, dass sie als Journalist:in nur das vorgeführt bekommt, was gezeigt werden soll. Am Ende bleibt die Frage, warum keine vertrauensbildenden Schritte möglich sind.
### 1. Russland inszeniert sich als Verteidiger gegen den Westen
Die Übung sei offiziell defensiv, heißt es; ein Lautsprecher erkläre jede Waffe. Der Sprecher Peskow wiederholt fünf Mal: "Die NATO befindet sich im Krieg mit Russland." Der Feind stehe symbolisch links und rechts der imaginären Straße. Zitat: "Das ist kein Angriffsmanöver, wir sind keine Gefahr für die NATO."
### 2. 200 000 russische Soldaten blieben 2021 nach Sapad in Belarus
Eichmann erinnert: "Viele sind da geblieben, viele schwere Technik auch und die ist dann im Februar 22 genutzt worden" für den Einmarsch in die Ukraine. Die aktuelle Übung sei kleiner, aber die Nachbarländer seien alarmiert, weil Drohnen kurz zuvor über Polen und Rumänien flogen.
### 3. Drohnen als Test für NATO-Verteidigung
Russland schickte mindestens 19 billige Geräte, um "zu schauen, wie sieht die Flugverteidigung Polens und der NATO im Osten aus" und "wie diskutiert die NATO diesen Angriff". Polen schloss die Grenze, der Handel stockte.
### 4. Putins Devise: "Wenn ein Kampf unvermeidbar ist, dann schlage als erster zu"
Das Zitat stammt aus einer Rede von 2015; er wende es an, um die weitere Entwicklung selbst zu bestimmen. Ein Ausfall des Manövers würde innenpolitisch als Schwäche gelten.
### 5. Neue Atomwaffen-Doktrin senkt Einsatzschwelle
Seit November 2024 darf Russland auch Nicht-Atomstaaten angreifen, wenn sie von Atommächten unterstützt werden. Eichmann hält einen Einsatz für unwahrscheinlich, weil Putin sich nicht als erster nach 1945 mit Atombomben in die Geschichte einbrennen wolle.
### 6. Putin positioniert sich als Anführer einer anti-westlichen Koalition
Durch enge Bindung an China, Empfang bei Trump und Auftritte bei der Shanghaier Organisation suggeriere er: "Ich bin keineswegs isoliert und die Sanktionen kann ich aussitzen."
## Einordnung
Der Podcast liefert kein militärisches Fachgespräch, sondern eine bewusst subjektive Reportage. Die ARD nutzt die Selbstinszenierung Russlands, um den Konflikt bildreich greifbar zu machen. Besonders stark: die Reflexion über die eigene Rolle als willkommener Beobachter in einem Land ohne Pressefreiheit. Die Gesprächspartner:innen machen deutlich, dass sie nur das sehen, was gezeigt wird, und verorten ihre Berichterstattung entsprechend. Die Argumentation bleibt dabei stringent: Putins Strategie der Eskalation als Mittel der Abschreckung wird durch historische und aktuelle Belege nachgezeichnet. Kritisch: Die These, Russland teste gezielt die Schwäche der NATO, bleibt eine Interpretation ohne weitere Belege durch unabhängige Militärs. Auch die Bewertung der Drohnen als „billige Geräte" stützt sich nur auf die ARD-Quellen. Perspektivisch fehlen Stimmen aus Polen, der Ukraine oder von Nato-Strateg:innen. Dennoch gelingt ein anschauliches Stück politischer Analyse, das ohne Alarmismus die Risiken des Kriegsschauplatzes Ostmitteleuropa verdeutlicht.
Hörempfehlung: Wer sich in 20 Minuten fundiert und stilistisch klar darüber informieren will, wie Russland derzeit militärische Stärke inszeniert und warum Friedenssignale ausbleiben, findet hier einen zugänglichen Einstieg.